Kumpel mit Stallgeruch

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Renate „Bürste“ Künast

Insbesondere wirbt sie für den umweltverträglichen Anbau von Schnitzeln

In sämtlichen Bauernstuben Deutschlands schlug die Gülle hoch, als Ende 2001 ein reines Stadtei zur Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin gekürt wurde. Tatsächlich hatte die 46-jährige Wahlberlinerin Renate Künast zeitlebens keine Kuh von innen gesehen. In der Ruhrgebietsstadt Recklinghausen am 15. Dezember 1955 ans kohlschwarze Tageslicht gefördert, blieben ihr die hellen Freuden einer Kindheit auf dem Lande versagt: Nie hatte sie beim Schlachten zugucken und das noch zuckende Fleisch essen dürfen, nie verlor sie irgendeinen persönlich wichtigen Körperteil in der Häckselmaschine, und sie kannte auch nicht dieses kribbelnde Gefühl, wenn man morgens aufwacht und der Kopf von schillernden Schmeißfliegen nur so wimmelt.

Die Großstadtpflanze Künast hatte keine sozialen Kontakte zu Nutztieren, wie die Bauern mit niedrigem Stirnrunzeln feststellten, sondern zog als Sozialarbeiterin seit 1977 den Umgang mit Drogenabhängigen vor und als Rechtsanwältin seit 1985 den mit Kriminellen, die sie beide für resozialisierbar hielt, weil sie sich nicht von der ehrbaren Fassade der bürgerlichen Gesellschaft täuschen ließ. Besonders erboste sie übrigens die Käfighaltung von Strafgefangenen, was sich heute wie ein Zaunpfahl auf ihr Ministeramt liest.

Traditionell geht es im Landwirtschaftsministerium so reaktionär zu wie im Arsch eines Ochsen. Zudem war Renate Künast – auch wenn sie mehr der Kumpeltyp mit burschikosen Haaren ist – die erste Frau in einem Amt, in dem bisher stets große, runde, dicke Kartoffeln mit einem kleinen Schwänzchen saßen. Doch sie fand sich rasch zurecht. Sie, die nicht mal wusste, dass Fleisch von Tieren stammt, machte eigens zu Beginn ihrer Ministertätigkeit extra ein Praktikum auf dem Bauernhof. Anfangs wollte sie die Kühe mit Hühnern füttern und hielt das Stroh für Spaghetti. Aber sie lernte schnell, und hätte sie früher Bauer und Vieh nicht auseinander halten können, so schaut sie jetzt einfach, wer im Stall die Stiefel anhat. Mittlerweile hat sie sich so gut in die neue Materie eingelebt, dass sie manchmal bei Endlosdiskussionen im Kanzleramt eine Forke in den Kabinettstisch rammt, um den Feierabend einzuläuten.

Mit ihrem Wahrzeichen, der eisernen Forke, räumte sie den Augiasstall der alten Agrarpolitik vom Tisch des Verbrauchers. Ob Rinderwahn (der ihrem Vorgänger Karl-Heinz Funke das Gehirn ausgeblasen hatte), ob mit Herbiziden, Pestiziden und Homiziden belastete Futtermittel – die Schuldigen wurden ohne Abendbrot ins Silo gesperrt.

Eines ihrer Ziele ist die artgerechte Ernährung des Menschen: Fertiggerichte mit zu hohen Anteilen von getrocknetem Schlamm, zerschroteten Katzen und ausgedrückten Pickeln sollen nicht mehr in den Mund gesteckt werden, ebensowenig wie Zuckerburger, Fettcola und Schmalzriegel, die Grundnahrungsmittel tonnenförmiger Kinder, die schon mit acht Jahren zu dick sind, um durch die Haustür zu passen. Um stattdessen für einen gesunden Teller zu sorgen, führte Renate Künast das Biosiegel ein, das garantiert, dass damit versehene Lebensmittel mit dem Biosiegel gekennzeichnet sind; insbesondere wirbt sie für den umweltverträglichen Anbau von Schnitzeln in tiergemäß gehaltenen Schweinen, die schonend geschlachtet werden.

Was aber die Gentechnik betrifft, so weiß die Ministerin, dass die nicht nur Möglichkeiten eröffnet, von denen Gott bloß träumen kann, sondern auch Chancen bietet: Kälbchen mit Blumenkohlgeschmack (extra für Vegetarier); essbare Steine, die den Hunger in den armen Ländern beseitigen; Schweine mit Plastikhaut für die lederfreie Herstellung veganer Schuhe und Kleidung – die Palette ist so lang wie die Zukunft; und als Parteipolitikerin ist Künast gewiss fasziniert vom gentechnischen Einsatz von Chlorophyllzellen in der menschlichen Haut, der alle Menschen zu Grünen machen würde – vorausgesetzt, die Sonne scheint und der Mensch kann irgendwo Wurzeln schlagen, wozu bereits ein Wasserhahn genügt.

Apropos genügt: Es reicht der ehrgeizigen Renate Künast eigentlich nie. Schon als Kind setzte sie, die nach dem Wunsch ihrer Eltern nur die Hilfsklasse einer Reserveschule besuchen sollte, den Besuch der Realschule durch, lernte sich nach oben und zog nach Berlin. Dort trat sie 1979 der Alternativen Liste bei, um Staat und Gesellschaft abzuschaffen, pflanzte sich 1981 im Vorstand ein, propfte sich 1985 dem Berliner Abgeordnetenhaus auf, blühte 1990 als Fraktionsvorsitzende und trieb 2000 als bundesgrüne Parteivorsitzende neben Fritz Kuhn kräftig aus. Inhaltlich brachte sie ständig Ableger hervor, schlug außer in Atomkraft und Ausländerpolitik auch Wurzeln in ungrünen Dingen. Eines Tages wird sie auch den sozialen Wohnungsbau, die Binnenschifffahrt und die Weltherrschaft begackern.

Renate Künast putzt Themen weg wie andere Leute eine Bratwurst, denkt vielseitiger als selbst ein Ferkel mit vier Köpfen und vermag auf mehr Hochzeiten zu tanzen als eine Kuh mit 23 Beinen. Na bravo! PETER KÖHLER