Der gewendete Elfer

Schalke treibt Schabernack mit Leverkusens Torwart Jörg Butt, kassiert aber trotzdem eine bittere 2:3-Niederlage

GELSENKIRCHEN taz ■ Die Schalke-Fans in der Arena feierten Leverkusens Torhüter Jörg Butt mit lang anhaltenden „Butt, Butt“-Sprechchören. Der muss sich vorgekommen sein wie im falschen B-Movie. Kurz zuvor hatte Butt noch den hinter seinem Tor jubelnden Bayer-Fans zugewunken, plötzlich flog ein Ball über ihn hinweg ins Netz. Butt blieb wie versteinert stehen. Entsetzen bei seinen Mitspielern, Bayer-Trainer Klaus Augenthaler protestierte zaghaft. Das Tor zählte.

Was war passiert? In der 75. Minute hatte Butt abgezockt wie immer einen Foulelfmeter zur 3:1-Führung Bayer Leverkusens auf Schalke verwandelt. So weit, so gut. Auf dem Weg zurück ins Tor wurde er von jedem seiner Mannschaftskollegen ausgiebig beglückwünscht; der Ball lag mittlerweile auf dem Anstoßpunkt. Schiri Jörg Kessler gab das Spiel frei. Schalkes Mike Hanke legte sich den Ball nicht ganz regelkonform vor und nahm aus 50 Metern Maß. „Das sieht natürlich blöd aus“, sagte Butt hinterher. Und dass er nicht zum Volldepp des Spieltages mutiert, lag allein daran, dass die Leverkusener den 3:2-Vorsprung trotz der nun permanenten Demütigungen durch die Schalker Fans einigermaßen sicher über die Zeit schaukelten. So blieb die Comedy-Einlage ein schönes, aus dem Spiel herausgelöstes Intermezzo – eine sportliche „Patt-Situation“ (Augenthaler), die letztendlich auf den Spielausgang keinen wirklichen Einfluss hatte, sondern einzig und allein zur Belustigung der Anwesenden beitrug.

Weniger lustig fanden die Schalker Verantwortlichen die ganze Situation. Trainer Jupp Heynckes und auch Manager Rudi Assauer wirkten nach dem Spiel ziemlich angefressen. „Meine Mannschaft hatte ein besseres Ergebnis verdient“, sagte Jupp Heynckes, der sich außerdem über den Elfmeterpfiff für Leverkusen echauffierte. „Für mich war der Elfmeter nicht berechtigt.“ Nur: Der Pfiff war nicht spielentscheidend. Ohne Elfmetertor hätte es auch den Treffer von Mike Hanke nicht gegeben.

Es schwang wohl eher die Enttäuschung darüber mit, dass das Ziel Uefa-Cup in ziemlich weite Ferne gerückt ist. Bayer Leverkusen hat sich nach oben abgesetzt. Und auch das 2:0 von Borussia Dortmund über Bayern München tat doppelt weh: Die Borussen haben jetzt fünf Punkte Vorsprung. Außerdem wird durch die Bayern-Niederlage eine direkte Champions-League-Qualifikation des VfB Stuttgart immer wahrscheinlicher. Das Ringen um einen vorzeitigen Wechsel des Stuttgarter Abwehrspielers Marcelo Bordon dürfte dadurch nahezu aussichtslos werden. Wer tauscht schon Champions League gegen UI-Cup? Kein schöner Nachmittag also. Rudi Assauer mochte das Thema Bordon jedenfalls nicht kommentieren. Die Frage, ob es für Schalke doch noch Richtung Uefa-Cup gehen könnte, ließ er halb offen: „Ich bin ein realistischer Typ.“ Etwas mehr Hoffnung hat Jupp Heynckes: „Wenn die Mannschaft in den letzten Spielen so agiert wie heute, werden wir am Ende alle zufrieden sein“, lautete seine kryptische Prophezeiung.

Die Hoffnung stützt sich dabei vor allem auf die Phase nach der Halbzeit. Mit einem permanenten Angriffslauf setzten die Schalker die laut Augenthaler „viel zu passiven“ Gäste unter Druck. Das 1:1 durch Michael Delura war die erzwungene Konsequenz. In der Folge wurde das Spiel offener. „Leider haben wir in der Rückwärtsbewegung die entscheidenden Zweikämpfe verloren“, sagte Jupp Heynckes. Ein Linksschuss von Bernd Schneider nach doppelten Doppelpass mit Marco Babic entschied das Spiel.

Am Ende war es die individuelle Klasse der Leverkusener, die den Unterschied machte: Lucio räumte in der Abwehr nahezu jede Flanke ab. Dimitar Berbatow erzielte nach energischer Franca-Vorarbeit das 1:0 und holte später den Elfmeter heraus. Und Hans-Jörg Butt wirkte nach dem Missgeschick sehr cool: Energischer und sicherer als vorher holte er die Flanken herunter. Den nächsten Elfmeter darf er auch wieder schießen. Klaus Augenthaler ist von der Treffsicherheit seines Torhüters überzeugt. „Nur das Jubeln sollten wir dann in die gegnerische Hälfte verlegen“, wünscht sich der Bayer-Trainer. HOLGER PAULER