ISRAEL SOLLTE SCHLEUNIGST AUS DEM GAZA-STREIFEN ABZIEHEN
: Pingpong der Gewalt

Solange die Hamas mit der Nachfolgefrage für den Führungsposten beschäftigt sei und sich auf der Flucht vor den israelischen Häschern befinde, könne sie keine Vergeltungsmaßnahmen organisieren – so rechtfertigen die israelischen Sicherheitsdienste die Exekutionen der beiden Hamas-Chefs Scheich Ahmed Jassin und Abdel Asis Rantisi. Mit Blick auf die Mission der israelischen Armee hat diese Argumentation durchaus Sinn. Der Palästinakonflikt aber wird mit einem solchen Pingpong der Gewalt nicht gelöst werden. Doch das ist vorläufig auch gar nicht das Ziel.

Die Exekutionen der Führer militanter Widerstandsgruppen im Gaza-Streifen ist Teil des Abzugsplans, für den sich Israels Premier Ariel Scharon in der vergangenen Woche weit mehr als Rückendeckung aus dem Weißen Haus holte. Die US-Regierung belohnte den Plan zudem mit der Garantie, dass es kein Rückkehrrecht für die palästinensischen Flüchtlinge geben wird und israelische Siedlungen im Westjordanland bestehen bleiben.

Das für den Sommer 2005 geplante Abzugsszenario erinnert an die Bilder von der Sinai-Halbinsel, wohin Scharon vor 25 Jahren Soldaten schickte, um israelische Siedlungen zu räumen. Für viele Wehrdienstleistende wurde das zu einem traumatischen Erlebnis: Sie wurden bespuckt, beschimpft, mit Farbe begossen und verprügelt. Selbst unter günstigsten Voraussetzung, nämlich nach einem zuvor unterzeichneten Friedensvertrag, wird der Abzug aus Gaza kein Zuckerschlecken werden.

Vor dem geistigen Auge Scharons läuft noch ein zweiter Film schmerzlich-beschämender Erinnerungen ab: Der Siegeszug der Hisbollah nach dem Rückzug der israelischen Soldaten aus dem Südlibanon. Genau wie ihre muslimischen Glaubensbrüder jenseits von Israels Nordgrenze wollen die islamischen Kämpfer im Gaza-Streifen den israelischen Abzug auf ihr Konto verbuchen. Eben das will Scharon verhindern. Die kommenden Monate werden daher noch eine ganze Serie weiterer Exekutionen bringen, es sei denn, der Abzug würde vorangetrieben. Um weiteres Blutvergießen zu verhindern, reicht es nicht, einzelne Operationen zu verurteilen. Die USA sollen den Abzug stützen, aber nicht erst in einem Jahr. SUSANNE KNAUL