Stillhalteprämie unter den Rädern

Drei Jahre nach seiner Einführung könnte das Kilometergeld für Berufspendler bald wieder gekürzt werden – obwohl der Benzinpreis genauso hoch ist wie damals

BERLIN taz ■ Berufspendler können sich schon einmal darauf einstellen, dass sie demnächst mehr Steuern zahlen müssen. Denn unter den Vergünstigungen, die angesichts der Haushaltskrise gekürzt werden sollen, steht die Entfernungspauschale ganz oben auf der Liste. Das Kilometergeld sei „teuer, sozial ungerecht und unökologisch“, erklärt der grüne Verkehrspoltiker Albert Schmidt. Auch Vertreter der Union sind offenbar kompromisbereit.

So schließt Bayerns Finanzminister Kurt Falthauser (CSU) eine Kürzung der Entfernungspauschale nicht aus. Nach einer Sitzung der Finanzminister am Donnerstagabend formulierte er allerdings Bedingungen: Eine Reduzierung müsse eingebettet sein in ein umfassendes Konzept zur Steuersenkung. Die von Rot-Grün geplanten Reformen 2004 und 2005 mit ihren Kürzungen der Lohn- und Einkommenssteuersätze reichten dafür keinesfalls aus.

Ob diese Einschränkung die kommenden Monate überdauert, wird sich zeigen. Denn in jedem Fall gehört die Entfernungspauschale zu den großen Brocken unter den Subventionen, bei denen Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) und seine Länderkollegen am meisten einsparen können. In einem aktuellen Papier zum Abbau umweltschädlicher Subventionen nehmen die Grünen an, dass diese spezielle Vergünstigung den Staat bis zu 4 Milliarden Euro jährlich kostet.

In ihrer heutigen Form eingeführt wurde die Entfernungspauschale Anfang 2001. Zuvor konnten Autofahrer für den Weg zur Arbeit 70 Pfennig pro Kilometer von der Steuerschuld absetzen. Seit 2001 sind es 36 Cent für die ersten zehn Kilometer und 40 Cent für jeden weiteren. Auf Druck der Grünen kommen nun auch Rad- und Bahnfahrer in den Genuss der Vergünstigung. Wegen dieser Ausdehnung auf die umweltfreundlicheren Alternativen zum Auto stimmten die Grünen zähneknirschend zu, obwohl sie die Regelung schon damals für zu großzügig hielten.

Albert Schmidt nennt sie „Zersiedlungsprämie“. Denn durch die höhere Förderung für größere Entfernungen schaffe sie einen Anreiz, weit draußen in die Landschaft zu ziehen, anstatt in Stadtnähe zu wohnen. Außerdem würden Bezieher größerer Einkommen gegenüber Geringverdienern begünstigt, erklärt Schmidt. Und Bürger, deren Einkommen unter dem steuerfreien Existenzminimum liegt, hätten von der Entfernungspauschaule überhaupt nichts – sie werde ja erst steuermindernd wirksam, wenn überhaupt Steuern gezahlt würden.

Schmidt kann sich deshalb vorstellen, künftig eine Regelung einzuführen, die den Ausgleich für die zurückgelegten Kilometer vom jeweiligen Einkommen unabhängig macht. Alles das spricht nach Ansicht des Grünen dafür, die Pendlerpauschale „in Struktur und Höhe“ zu refomieren. Wenn 1 Milliarde dabei herausspringt, dürften sich auch die Haushalts- und Finanzpolitiker freuen.

Am Beispiel der Entferungspauschale ist schön zu beobachten, wie politische Argumente Bedeutung gewinnen und verlieren. Im Jahr 2000 stieg der Erdölpreis, der Benzinpreis lag über 2 Mark. Um die von Bild, Union und ADAC angestachelten Autofahrer zu besänftigen, wollte die SPD die höhere Pauschale einführen. Heute kostet der Sprit ähnlich viel wie damals, doch das Thema bewegt niemanden mehr.

Ein guter Augenblick, die teure Stillhalteprämie wieder zu kürzen. HANNES KOCH