NRW braucht Siemens-Anwälte

Die Landesregierung entscheidet heute über eine Klage gegen die Castor-Transporte nach Ahaus – und lässt sich von Anwälten der Atomlobby vertreten. Begründung: Fehlende Fachkompetenz

VON ANDREAS WYPUTTA

Vertreter der Landesregierung haben ihre Entscheidung verteidigt, sich in der Frage einer möglichen Klage gegen die bereits genehmigten Atommülltransporte ins Zwischenlager Ahaus ausgerechnet von einer Anwaltskanzlei des Atomkraftwerksherstellers Siemens beraten zu lassen. Die Expertise des Verwaltungsrechtlers Dieter Sellner, Partner der international tätigen Kanzlei Redeker mit Hauptsitz in Bonn sei nötig, da die Fachkompetenz der Juristen der Landesregierung nicht ausreiche: „Wir wollten eine Spitzenkraft für Verwaltungsrecht, deshalb machen wir das nicht selbst“, so eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums zur taz.

Atomkraftgegner dagegen halten die renommierte Bonner Kanzlei für voreingenommen – schließlich vertreten „Redeker, Sellner, Dahs & Widmaier“ den Siemens-Konzern, der bei einer Klage der bayerischen Anti-Atom-Initiative ‚Bürger gegen den Atomreaktor Garching‘ beigeladen ist. Zuständig sei dabei Rechtsanwalt Gerhard Hennenhöfer, unter der CDU-Regierung Kohl bis zu seiner Ablösung durch den jetzigen grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin Leiter der Reaktorsicherheitsabteilung im Bundesumweltministerium, klagt die Initiativen-Sprecherin Gina Gillig: „Danach war Hennenhöfer für die Stromkonzerne Viag und E.on tätig“, habe den für die Atomlobby günstigen Atomausstieg mitverhandelt, der sehr lange Laufzeiten für Atommeiler vorsieht. Gilligs Fazit: „Klar, auf welcher Seite diese Kanzlei steht.“

Das sehen Anti-Atom-Aktivisten aus dem Münsterland genauso: „Mehr als dubios“ findet etwa Matthias Eickhoff von der Initiative ‚Widerstand gegen Atomanlagen‘ aus Münster die Entscheidung der Landesregierung. „Hat die Landesregierung keine eigenen Fachleute“, fragt er. „Die Landesregierung schiebt Vertretern der Atomlobby Geld zu“, kritisiert auch Felix Ruwe, Sprecher der Bürgerinitiative ‚Kein Atommüll in Ahaus‘. Die Forderung der Atomkraftgegner: Nötig sei eine politische Lösung – SPD und Grüne in NRW sollen Druck auf die Bundesregierung machen, um die hochgiftigen Atommülltransporte über die Atomaufsicht doch noch zu verhindern.

Doch wie Nordrhein-Westfalens grüne Umweltministerin Bärbel Höhn setzt auch SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück auf die Expertise der Kanzlei Redeker: Besonders Erfolg versprechend sei eine Klage gegen den Sofortvollzug der vom Bundesamt für Strahlenschutz erteilten Transportgenehmigung, deutete der Regierungschef gestern vor der Düsseldorfer Landespressekonferenz an.

Die Anti-Atom-Initiativen dagegen setzen auf den Protest. Gelegenheit dazu haben sie genug: Schon in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch rollen die nächsten Castor-Transporte durchs Ruhrgebiet in die Wiederaufbereitungsanlage nach La Hague – aus den Atomkraftwerken Unterweser, Stade und Grohnde.