Als Manager im Knast

In sozialen Einrichtungen lernen Kölner Führungskräfte ein anderes Leben kennen – und profitieren im Beruf

KÖLN taz ■ „Ich hatte das Gefühl, als ob ich einen neuen Job beginne“, schildert Daniela Hager ihre Gemütslage am ersten Tag auf dem Weg zu ihrem einwöchigen Engagement bei der Kölner Straffälligenhilfe Maßstab e.V. Die Managerin arbeitet normalerweise für die DIS AG, einen bundesweiten Personaldienstleister. Kontakt zu einer sozialen Einrichtung hatte sie bis dahin noch nie. Im Rahmen des Projekts „SeitenWechsel“ schlüpfte die Führungskraft erstmals in die Rolle einer Mitarbeiterin für Maßstab.

„SeitenWechsel“ ist eine Maßnahme zur Personalentwicklung, die die Kölner Freiwilligenagentur (KFA) e.V. für das südliche Nordrhein-Westfalen umsetzt. Dabei verlassen Führungskräfte aus Wirtschaftsunternehmen ihren Schreibtisch und arbeiten für eine soziale Einrichtung. „In einem geschützten Raum haben die Manager die Möglichkeit, sich selbst zu erleben“, erläutert Unternehmensberaterin Martina Herring das Konzept von „SeitenWechsel“. Sie betreute im Auftrag der KFA die Führungskräfte während ihres Seitenwechsels.

„Ich war völlig unbeholfen und wusste nicht, was ich tun sollte“ , beschreibt Hager ihr erstes Erlebnis bei der Beratung einer volltrunkenen Frau. Besonders die Menschen – ob in der Justizvollzugsanstalt Ossendorf oder in der Jugendgruppe – haben die gestandene Managerin beeindruckt. Hager zieht für sich eine positive Bilanz des Seitenwechsels: „Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, anderen zuzuhören und deren Sichtweise zu erkennen.“

Auch auf den Leiter Risikomanagement der DIS AG, Detlef Kuhlmann, hat der Seitenwechsel einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Im psychiatrischen Krankenhaus der Alexianer in Porz-Ensen arbeitete der Manager im Bereich Tagesstruktur einer Wohngruppe. Der schnelle Macher aus der Wirtschaft stieß schnell an seine Grenzen. Er entdeckte, wie wichtig hier die Langsamkeit ist. „Ich habe gelernt, Menschen so anzunehmen, wie sie sind“, berichtet Kuhlmann. 1.700 Euro pro Kopf hat die DIS AG in diese Personalentwicklungsmaßnahme investiert.

Den nächsten „SeitenWechsel“ startet die KFA bereits im Juni. Auf einer Marktbörse stellen sich soziale Einrichtungen dann erneut interessierten Führungskräften aus der Wirtschaft vor.

Thomas Spolert