Kurz nach den Kleinen sehen

Beim Kölner Autohersteller Ford hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein familienfreundliches Betriebsklima die Produktivität steigert. Hier gibt es zum Beispiel einen Notfallkindergarten

Von Claudia Lehnen

Der Streit entzündete sich an einem Teller Spaghetti Bolognese. Gerade noch hatte Mario friedlich beim Kuchenbacken geholfen. Er war für die Schokoladenstreusel verantwortlich gewesen. Folgsam hatte er die Packung aufgerissen und den Inhalt in die große, duftende Teigschüssel geleert. Er hatte gelacht und in einem unbeobachteten Moment seinen Zeigefinger in den gelben Schaum getaucht. Jetzt ist sein Mund zu einer schmalen rosa Linie zusammengeschrumpft. Spaghetti-Essen möchte er auf keinen Fall. Er möchte zu Mama, oder zu Papa – erst einmal. Dann kann über die Sache mit dem Mittagessen neu verhandelt werden. Vorläufig hat er sich fürs Schmollen entschieden.

Karin Schiebahn, Leiterin des Notfallkindergartens „Ford Pänz“ vor den Toren der Fordwerke in Köln-Niehl kennt das Problem. Wenn Kinder zum ersten Mal hier sind, gibt es schon mal Eingewöhnungsschwierigkeiten. Aber dem zweijährigen Mario kann geholfen werden. Schließlich arbeitet Papa nur zweihundert Meter Luftlinie von der Tagesstätte entfernt auf dem Gelände der Autofabrik.

Engpässe überbrückt

Ein Anruf genügt und er kommt zum Mittagessen vorbei. Die Chefs hier ließen ihre Mitarbeiter meist ohne Murren die Arbeit unterbrechen, wenn es Schwierigkeiten mit den Kindern gäbe, sagt Schiebahn. „Sie haben nur die Wahl zwischen: Ich gehe für eine Stunde, oder ich komme heute gar nicht mehr. Da fällt die Entscheidung leicht.“

Der Autohersteller Ford ist einer der Vorreiter familienbewusster Unternehmenspolitik in Köln. Anstrengungen, die nun ein vom Bundesfamilienministerium initiiertes „Lokales Bündnis für Familien“ in ganz Köln umsetzen soll (taz berichtete), hat man hier laut Pressesprecherin Astrid Wagner in Teilen schon verwirklicht. Jeder Mitarbeiter könne Erziehungsurlaub nehmen. „Auch auf der Management-Ebene ist Teilzeitarbeit und Telearbeit möglich“, sagt Wagner. Schon seit drei Jahren gibt es einen Notfallkindergarten: Mitarbeiter können ihre Kinder können direkt am Arbeitsplatz betreuen lassen, wenn die Tagesmutter oder die Oma einmal krank geworden ist.

Fragt man Regina Schmidt, Diplomingenieurin und Sprecherin des Elternnetzwerkes bei Ford, ob ihr der familienbewusste Arbeitgeber die Entscheidung ein Kind zu bekommen, erleichtert hätte, legt sie den Kopf in den Nacken und lacht laut. „Natürlich bekommt man kein Kind, weil der Arbeitgeber einen Notfallkindergarten bereitstellt“, sagt sie. Nein, das sei doch eine ganz private Entscheidung gewesen. „Aber ich habe mich schon unterstützt gefühlt, habe mich getraut, schon sechs Wochen nach der Geburt wieder auf meinen Arbeitsplatz zurückzukehren“, erzählt sie.

Die Telefonnummer der Kita-Leiterin ist eine Notfallnummer. Das Telefon im wohl buntesten Teil der Fordwerke läutet nicht nur dann, wenn mal wieder eine Oma verreist oder eine Lehrerin erkrankt ist. Karin Schiebahn und ihre Mitarbeiter helfen auch beim Überbrücken von längeren Betreuungsengpässen. „Wir nehmen auch Kinder für die Dauer von einigen Monaten auf, wenn Mutterschutz oder Elternzeit endet, noch ehe ein fester Betreuungsplatz gefunden wurde“, sagt Schiebahn.

Für Ford zahlt es sich aus

Wenn man durch die hellen Räume der Einrichtung spaziert, sich auf einen der winzigen Stühle niederlässt und ein kleines Mädchen auf dem neusten Ford-Modell in Bobbycargröße vorbeiflitzen sieht, dann könnte man meinen, in der Chefetage von Ford säßen nur Menschen mit Helfersyndrom und einem großen Herz für Kinder. Hans Jablonski, Diversity-Manager, macht allerdings klar, dass sich eine familienbewusste Firmenpolitik für Ford einfach auch rechne: „Wir sehen, wie viele Mitarbeiter Kinder haben, und fragen uns, was es kostet, wenn deren Betreuung krank wird. Wenn der Mitarbeiter dann bei seinem Kind zu Hause bleiben muss, ist das für uns ein Kostenfaktor.“ Eine familienbewusste Unternehmenspolitik führe zu weniger Fehlzeiten, zufriedeneren Mitarbeitern, kürzerer Elternzeit und mache sich deshalb in höherer Produktivität bemerkbar.

Marios Mund sitzt wie eine große Kirschtomate in seinem Gesicht. Inzwischen hat er den Teller Spaghetti leer gegessen. Der herbeigeeilte Vater nähert sich seinem Sohn mit einer Serviette. Aber noch ehe er die Tomatenspuren wegwischen kann, ist der Zweijährige schon vom Stuhl gehüpft. Aus dem Spielzimmer dringt ausgelassenes Gejohle. Papa kann seine Serviette packen und wieder ins Büro gehen. Heute Nachmittag wird er hier nicht mehr gebraucht.