Wettlauf der Brustzentren

In Bremen droht eine Schwemme selbst ernannter Krebszentren. Dabei geht es um Geld und den Fortbestand von Kliniken. Für die Patientin wird die Suche nach dem besten Operateur nicht leichter

Insider erwarten eine Marktbereinigung, nach der rund 150 Brustzentren blieben

taz ■ Für brustkrebskranke Frauen wird die Suche nach dem besten Operateur in der nächsten Zeit nicht leichter. Zwar reden alle davon, dass die Qualität von Brustoperation und Nachsorge in Deutschland verbessert werden müsse. Kliniken versprechen reihenweise, bald zertifizierte Qualitätsnachweise als Brustzentrum erbringen zu wollen. Doch nach welchen Kriterien – das dürfte für die Betroffenen angesichts einer verwirrenden Vielfalt von unterschiedlichen Expertenaussagen vorerst undurchschaubar bleiben.

Diese Entwicklung erreicht jetzt auch Bremen. Nachdem im vergangenen Sommer die kommunale Sankt Jürgen Klinik den Titel Brustzentrum für sich reklamierte, stehen jetzt die Kliniken Diako und St.Joseph-Stift in den Startlöchern für ein „Brustzentrum“. Sie wollen die Qualität ihrer medizinischen Leistungen rund um die Behandlung als Verbundmodell erbringen – nach wieder anderen Kriterien als die St.Jürgen Klinik. Dabei würden beide Krankenhäuser weiter unabhängig arbeiten – aber ihre Daten für einen Vergleich zwischen Kliniken liefern, der wiederum als „Qualitätsnachweis“ ausgegeben wird. Das ist erlaubt, denn mit den „Qualitätsnachweisen“ verhält es sich wie mit den „Brustzentren“: Jeder definiert sie, wie es ihm passt.

Zwar existieren mittlerweile europäische Richtlinien darüber, wie ein Brustzentrum arbeiten soll. Doch die daran angelehnten, strengen nationalen Zertifizierungskriterien hat die Deutsche Krebsgesellschaft erst im Mai verabschiedet. Würden diese sich als die Richtlinie durchsetzen, die künftig Qualität bei Brustoperationen garantieren – und deshalb von den Kassen finanziert werden – wäre eine erste Verbindlichkeit im Gewirr der Qualitätsnachweise geschaffen. Aber auch dann herrscht frühestens in drei Jahren, wenn die Zertifizierung erste Ergebnisse bringt, Klarheit. Insider erwarten eine Marktbereinigung, nach der bundesweit rund 150 solcher offiziell anerkannten Brustzentren übrig blieben.

Den anderen Kliniken droht spätestens dann der Verlust vieler Leistungen rund um die Brustkrebsoperation. Wer derzeit über „Brustzentrum“ und „Qualitätsnachweis“ spricht, meint deshalb immer auch das Fortbestehen von Kliniken.

In Bremen gibt es bislang keine politische Planung, wie die Versorgung brustkrebskranker Frauen in „Brustzentren“ künftig aussehen könnte. „Es werden darüber Gespräche geführt“, sagt die Sprecherin der Gesundheitsbehörde. Dass diese Gespräche ein Grund waren, warum kürzlich eine Pressekonferenz abgesagt wurde, auf der sich das Diako und das St.Joseph-Stift als „Brustzentrum“ im Verbund mit dem „Westdeutschen Brustzentrum“ in Düsseldorf vorstellen wollten, bestätigt sie nicht.

Auch der Chefarzt der Frauenklinik im Diakoniekrankenhaus, Ernst-Heinrich Schmidt, widerspricht diesem Gerücht. Es habe Terminprobleme gegeben, man werde das Vorhaben später vorstellen, sagt er. Es gehe ihm um die Qualität der Behandlung von Frauen. Dafür sei die Kooperation mit dem Westdeutschen Brustcentrum (WBC) optimal. WBC-Geschäftsführer Guido Tuschen erklärt, die Kliniken erklärten sich zum Datenvergleich bereit. Dadurch werde die Qualität der Leistung durchschaubar. Dieser Weg sei, so räumte er ein, der weniger anspruchsvolle Qualitätsnachweis. Doch werde sich die Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft „kaum eine Klinik leisten können“. Die Standards seien hoch.

Tatsächlich hat auch die Klink St.Jürgen Straße ihre übereilte Ankündigung, bereits vergangenen Dezember zertifiziertes Brustzentrum nach den Vorgaben der Deutschen Krebsgesellschaft zu werden, relativiert. „Die Kriterien wurden ja jetzt erst verabschiedet“, sagt Chefarzt Willibald Schröder.

Bis Bremerinnen verbindlich durchblicken können, wird es also noch Jahre dauern. Bei der Suche nach der besten Klinik tun sie solange gut daran, sich nicht nur in Bremen umzuschauen. Denn der Wettlauf um den Titel „Brustzentrum“ wird hier auch mit Blick auf das Umland geführt – wo sich sogar das kleine Rotenburg bei der Brustbehandlung einen Namen gemacht hat.

ede