Deutsche! Kauft deutsch!

Nicht nur der Kanzler wünscht sich „patriotische Konsumenten“. In einer globalisierten Welt aber lässt sich kaum noch sagen, wer wo was produziert. Klar ist nur: „Made in Germany“ kostet Aufpreis

VON CLEMENS NIEDENTHAL

Betrachtet man bei einem beliebigen Volkswagen-Händler dieser Republik die (Auf-)Preisliste eines ausgestellten VW Transporters, so begegnet einem irgendwo zwischen den Positionen „zusätzliche Schiebetür links“ und „Standheizung“ auch ein Hinweis auf den Produktionsstandort des im Alltagsgebrauch schlicht und einfach VW Bus genannten Gefährts: Polen nämlich. Auch der nebenan geparkte Multivan, die weitgehend baugleiche Wohnzimmerversion des VW Transporters verschweigt seine Herkunft nicht. Hannover kann man dort wenige Zeilen über einer ungleich höheren Auspreisung lesen. Made in Germany also. Nicht bloß hergestellt im neuen Europa.

Die Standortfrage hat es bei Volkswagen demnach genau dorthin gebracht, wo sie Konzernchef Bernd Pietschesrieder in den vergangenen Wochen immer wieder haben wollte: In die Preis-, genauer in die Aufpreisliste. Der Produktionsstandort Hannover wird zum Extra deklariert und damit der Klimaanlage, dem Kindersitz oder der Metallic-Lackierung gleichgesetzt. Und wie eine Klimaanlage, ein Kindersitz oder ein Metallic-Lack soll dieses Extra den Kunden etwas wert sein.

War es nicht Bundeskanzler Gerhard Schröder, der gerade erst den patriotischen Konsumenten angemahnt hat? Was wiederum gut zum Diktum Pietschesrieders passt, der die Absatzprobleme der fünften Golf-Generation ursächlich in den hierzulande üppigen Lohnkosten gefunden hat. Wir Deutschen müssten also nur bereit sein, diese deutschen Lohnkosten via Kaufakt zu finanzieren.

Wenn es doch nur so einfach wäre. Der gute Deutsche kauft gute, deutsche und, ja, auch teure Autos, um damit ebenfalls ganz gute deutsche Arbeitsplätze zu erhalten. Dumm nur, so weit ein erster Einwand, dass auch Pietschesrieder nicht hinreichend erklären kann, warum ein VW Bora nicht günstiger ist als ein in den meisten Bauteilen identischer Golf, obwohl der eine im slowakischen Bratislava, der andere im niedersächsischen Wolfsburg gefertigt wird. Dumm auch, dass der patriotische Konsument von seinem VW-Händler erfahren muss, dass sein deutscher Golf auch von einem Fließband in Brüssel rollen könnte. Wird eventuell also doch nichts aus jenem staatstragenden Akt der Konsumtion. Und das erinnert dann irgendwie an den Witz mit den deutschen Bananen.

Die Debatte an sich indes, sie ist so alt wie die aufgeschlitzten Reifen jenes Arbeiters, der zurück in den Siebzigerjahren seinen Datsun auf dem Werksparkplatz von Opel in Rüsselsheim abgestellt hatte. Oder so alt wie die Strafzölle, mit der das konsolidierte Deutsche Reich im 19. Jahrhundert die Waren aus den freien Hansestädten belegte. Älter als eine bald 26 Staaten umfassende Europäische Union ist diese Debatte sowieso.

Was wiederum einen Schimpansen nicht daran hindert, im deutschen Werbefernsehen einen Satz wie diesen zu formulieren: „Ich kaufe nur Trigema-Produkte und sichere damit deutsche Arbeitsplätze.“ Worauf Wolfgang Grupp, Inhaber von Trigema, sagt: „Wir werden auch in Zukunft nur in Deutschland produzieren und unsere 1.200 Arbeitsplätze sichern.“

Wäre demnach ein Trigema-Shirt der beste Kauf für den patriotischen Konsumenten? Zumal Textilunternehmer Grupp nicht in das leidige Lohnnebenkosten-Mantra einstimmen will, sondern ungebrochen lustvoll im schwäbischen Burladingen stricken und weben lässt.

Und vielleicht bedarf es letztlich genau eines solch bescheuerten Werbeclips, um die nicht nur sprichwörtliche Unsinnigkeit jener neuerlichen Patriotismusdebatte zu offenbaren. Denn so sehr auch der Konsum in einer globalisierten Welt zur Frage der Moral geworden ist, so sehr folgt auch diese Moral einer globalisierten Logik.

Sinnvoll ist es, seinem Schweineschnitzel vor dem Verzehr keine Fernreise über 2.500 Autobahnkilometer abzuverlangen. Sinnvoll ist es auch, über die fragwürdigen Arbeitsverhältnisse in einer indonesischen Turnschuhfabrik nachzudenken. Des Weiteren sollte man dem polnischen Arbeiter ruhig seinen Job bei VW, dem Nachbarn seinen Toyota und sich selbst sein Schweizermesser gönnen.

Volkswagen übrigens, und an dieser Stelle wagen wir eine wenig waghalsige Prognose, wird auch den Golf VI wieder in Wolfsburg produzieren. Egal ob mit oder ohne Bernd Pietschesrieder.