Gewitter zerfetzt Sunshine

Karneval der Kulturen wird nach schwerem Unfall abgebrochen. Sturmbö kippt Gerüst und begräbt drei Menschen darunter. Veranstalter sehen keine Schuld, Feuerwehr will Unwetterfrühwarnsystem

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Zum Feiern war gestern niemand mehr zumute. Henning packte die letzten Instrumente auf der Bühne an der Blücherstraße ein. Denn Gruppen traten nicht mehr auf zum Straßenfest anlässlich des Karnevals der Kulturen. An den Getränke-, Spezialitäten- und Ethnoständen wurden die vollen Kisten wieder in die Lieferwagen geräumt. Dazwischen bewegte sich ein wenig Katastrophentourismus über den Blücherplatz, wo Sven, ein Sicherheitsmann, die Gerüste am Sonntagabend einstürzen sah.

Es sei ganz schnell gegangen, sagt er, „erst kam der Wind, es hat gewackelt, und mit einem Rums lagen die Rüstungen unten“. Die Menschen hätten geschrien, die drunter lagen, am lautesten. Und dass jetzt alles vorbei sei, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und die Veranstalter das Fest am Montag abgebrochen hätten „ist bedauerlich, aber vernünftig“.

„Let the sun shine“, das Motto des Karnevals der Kulturen, hat an Pfingsten eine traurige Wendung erfahren. Nach sommerlichem Auftakt sind am späten Sonntagabend bei einem Gewitter mit Blitz und Sturmböen drei Menschen lebensgefährlich verletzt worden. Gegen 21 Uhr hatte der Wind das 5,50 Meter hohe und 11 Meter breite, mit Planen bespannte Gerüst – das „Eingangsttor“ zum Straßenfest am Blücherplatz – erfasst und umgerissen und begrub zwei Frauen und einen Mann unter sich.

Nach Polizeiangaben erlitten der 29-jährige Mann und seine 23-jährige Ehefrau aus Neukölln sowie eine 46-jährige Frau aus Charlottenburg „schwerste Verletzungen“ an Kopf, Oberkörper und an inneren Organen. Nach dem tragischen Unfall wurden sie ins Krankenhaus eingeliefert. Bis Redaktionsschluss schwebten alle drei noch in Lebensgefahr.

Die Feuerwehr hatte Schneidbrenner einsetzen müssen, um die Verletzten unter den Trümmern zu bergen. Das Gerüst wurde beschlagnahmt und soll jetzt auf mögliche technische Mängel untersucht werden. Zugleich wird danach geforscht, ob die Aufbauten unzureichend gesichert waren.

Der Polizeisprecher wollte gestern noch keine Angaben zu den Untersuchungsergebnissen machen. Derzeit würden der Hergang des Unfalls und die Absicherung des Gerüsts geprüft. Die Veranstalter des Karnevals der Kulturen erklärten am Montag, das Gerüst sei kurz vor dem Zusammenbruch kontrolliert worden. Die Besucher des Festes seien zudem vor Beginn des Sturms aufgefordert worden, den Festplatz wegen des herannahenden Unwetters zu verlassen.

Der Bezirk begründete den Abbruch der Straßenparty mit dem tragischen Verlauf des Unglücks. Ursprünglich sollte das Fest, auf dem mehrere zehntausend Besucher, zahlreiche Musikgruppen auf Bühnen und Tanzlustige erwartet wurden, bis zum Pfingstmontag gehen. Am Sonntagvormittag hatten noch rund 700.000 Menschen den farbenprächtigen Multikulti-Umzug mit 4.200 Akteuren durch ganz Kreuzberg begleitet.

Gegen 21 Uhr war Berlin von der Gewitterfront erfasst worden, bei der bundesweit 12 Menschen starben. Berlins Feuerwehrchef Bromme hat gestern die Einrichtung eines „Unwetterfrühwarnsystems“ gefordert.