Die Moderatorin als Medienmarke

Sandra Maischberger ist inzwischen omnipräsentund tantig genug, um Alfred Biolek beerben zu können

Als Reportage „mit Sandra Maischberger“ hatte der NDR die gestrige Sendung „Reichlich Wasser vor der Hütte – Im Herzen einer Luxusinsel“ angekündigt und dabei billigend Assoziationen an Alida Gundlachs Reiseberichte in Kauf genommen. Das ist in zweifacher Hinsicht unfair. Zum einen muss ein Vergleich mit Alida Gundlach per se als Beleidigung gelten, zum anderen hat der NDR Sandra Maischberger für seine Verkaufe genutzt: die renommierte Journalistin hat – entgegen ihrer früheren Absicht, den Bericht selbst zu machen – lediglich ihre Stimme für den Text aus dem Off gegeben.

Doch hier offenbart sich das Debakel der Sandra Maischberger: zum einen als Marken- und Gütename benutzt zu werden – so etwa wirbt sie für „Ärzte ohne Grenzen“, war Schirmherrin einer Kampagne zur Wahlbeteiligung –, zum anderen über ihre Interviews, Reportagen und Buchveröffentlichungen in die medial zweifelhafte Ecke von Adel, Luxus und Betulichkeit zu gelangen.

Dabei ist die Crux hausgemacht. Sandra Maischberger ist ohne Zweifel eine sehr gute Journalistin, eine exzellente Interviewerin. Aber sie scheint eben auch – und das ist der Grund, weshalb sie es im deutschen Fernsehen geschafft hat – furchtbar nett. Fast langweilig nett. Schon vor zehn Jahren, als sie für „Spiegel TV-Interview“ vor der Kamera stand, zuvor bei Erich Böhme oder für „Live aus dem Schlachthof“ – immer sieht sie aus wie ihre eigene Tante. Jung mutet sie zwar an, doch scheint sie nie den Anschluss an das zu finden, was ihre Generation gerade vollbringt. Immer bleibt sie diejenige, die fragt: „Was macht ihr da?“

Mittlerweile hat ihre Seriosität ihr Gesicht zur Marke vervollkommnet. Nun wird sie die gestandenste Tante des deutschen Fernsehens ablösen, Alfred Biolek. Zweifel an Maischbergers Kompetenz für die große Talkshow gibt es nicht. Wohl aber an ihrem Weg – es wäre schade, sie an die Margret-Dünser-Fraktion zu verlieren. Schon jetzt schießen Maischbergers Aktivitäten ins Kraut: Gala-Moderationen, das Interview mit dem norwegischen Kronprinzenpaar, die Luxusinsel-Reportage, die ihre Firma produzierte, und ihr Buch mit Hildegard Hamm-Brücher.

Auf dem Biolek-Sendeplatz wird sie menscheln müssen – sie wird den Kopf leicht schräg legen, das Lächeln wohlwollend, aber nicht zu breit, und dabei ihre großen, rehbraunen Augen in eine Schutzhöhle der Geborgenheit verwandeln. Auch wird sie abermals ein optisches Spiegelbild der deutschen Biederkeit bieten müssen, um dem breiten Publikum zu gefallen.

Prominenz statt Klasse?

Nun könnte man einräumen, es müsse kein Widerspruch sein, sachkundig und hart, aber fair, Interviews mit Politik- und Wirtschaftsbossen zu führen und gleichzeitig die Prinzenpaare und die exklusivsten Orte dieser Welt der Fernsehöffentlichkeit vorzustellen. Doch Sandra Maischbergers Trumpf war bislang ihre journalistische Authentizität. Der Eindruck ihrer Unbestechlichkeit. Doch je präsenter die Marke Maischberger in der Öffentlichkeit wird, desto mehr drohen ihre seltenen Qualitäten in den Hintergrund zu rücken.

Denn Sandra Maischberger ist der breiten Masse nicht wegen ihrer guten Interviews ein Begriff, nicht wegen der Preise, die ihr eine Minderheit von Medienexperten zugebilligt hat. Sandra Maischberger ist der Masse ein Begriff, weil sie „Mette Marit verbrannt hat“. Die Gesichtsverletzungen, die die Prinzessin während des Interviews erlitt, gingen durch alle goldenen Blätter. Und das war das Beste, was einer Frau, die Bioleks Sendeplatz übernehmen will, passieren konnte.

SILKE BURMESTER