jenni zylka über Sex & Lügen
: Lohn der Angst: Pflaumenmus statt Honig

Eine Hommage an die mutigen Bienen, die die Varroa-Milbe überlebt haben

„Sag mir wo die Bienen sind, wo sind sie geblieben“, sang, nun ja, summte ich vor mich hin, als ich neulich über den Markt schlenderte, und ich dachte dabei nicht an hübsche Weiber, sondern an leckeren Honig. Honig, das wissen die meisten, schmeckt nämlich nicht nur hervorragend im Tee, sondern auch Ia auf Frischkäsebrötchen. Und weil ich mir gerne vorstelle, dass mein Honig von glücklichen, emanzipierten Arbeiterbienen freiwillig in ungespritzten und wild wuchernden Biogärten gesammelt und später mit aller Zeit der Welt angenehm kalt geschleudert wird, kaufe ich meistens Bio-Honig.

Nur: Der ist, genau wie Nicht-Bio-Honig, in letzter Zeit furchtbar teuer geworden. Ein Gläschen Honig kostet ungefähr so viel wie zwei Monate Mitgliedschaft in einem prolligen Fitnessclub oder, ein vielleicht etwas angenehmerer Vergleich, wie eine DVD-Box mit allen alten Hitchcock-Filmen. Zuerst wunderte ich mich ein paar Wochen, dann, als der Honigkauf unumgänglich wurde, stellte ich Nachforschungen an. Und fand ganz schnell heraus (es wusste nämlich jeder außer mir), dass es ziemlich schlimm aussieht mit den Bienenpopulationen in Deutschland, ganze Völker sind ausgerottet oder vegetieren in diesem Moment minimiert vor sich hin. Die Varroamilbe hat zugeschlagen.

Mein Biologieunterricht ist lange her, genau solang’ wie die interessante und lehrreiche Biene-Maja-Dokuserie, aber wenn ich mich recht erinnere, läuft die Sache so: Die Bienen summen auf die Wiese, werden von den Blüten angelockt, sammeln ein paar Blütenpollen hier, ein paar Blütenpollen da und helfen damit neuen Blumenfamilien auf den Weg. Zurück im Stock zaubern sie aus der Blütenklebe in kleinen Waben Honig, manche machen auch Gelée royale, das sich lächerlich reiche Erbschleicherinnen, in Crèmes verarbeitet, auf die Falten schmieren. Danach kaufen sie mal eben noch zwei Hitchcock-DVD-Boxen, eine für ihr Stadtloft und eine für das Wochenendhaus, so reich sind diese Miezen.

Die Bienenkönigin lässt sich derweil von den Drohnen begatten. Früher dachte man, sie würde nur ein einziges Mal in ihrem Leben ein mickriges My Drohnensperma einsammeln. Heute weiß man, dass die lebenslustige Chefin am besten damit fährt, wenn sie innerhalb weniger Tage mit sechs oder noch mehr Drohnen nudelt. Ich will jetzt keinesfalls unsinnige Parallelen zu irgendetwas in der Humanbiologie ziehen, nur weil dies hier unter „Sex & Lügen“ firmiert. Trotzdem finde ich diese Erkenntnis besonders interessant und gebe sie hiermit ganz zwanglos zu bedenken.

Die Drohnen werden also von den Bienen aus dem Stock geworfen (nur Biene Majas bester Freund Willy nicht, vielleicht konnte der ein paar dufte Tricks), begatten die Bienenkönigin und sterben dann. Die Bienenkönigin legt tausende von Eiern, die anderen Bienen sind derweil fleißig. Jetzt kommt die Varroamilbe ins Spiel: Dieser gemeine, aus Südamerika eingeschleppte Parasit beißt sich am Bienenhals fest und saugt die Biene aus, bis sie zu schlapp zum Herumsummen ist, zu schlapp zum Eierlegen, bis sie aufgibt. Und wenn ich den von mir konsultierten Honigverkäufer richtig verstanden habe, dann ist das Größenverhältnis von Biene zu Varroamilbe in etwa das von Mensch zu Kaninchen. Huach. Ein Drittel bis die Hälfte der eine Million Bienenvölker hat die – für Bienenverhältnisse riesenhafte – Teufelsmilbe schon auf dem Gewissen.

Manche Menschen im Bienenbusiness behaupten glücklicherweise, der Zenit des Milbenbefalls sei überschritten und man könne demnächst mit einer Entspannung der Lage rechnen. Kritische Stimmen unken ohnehin, Schuld an der Milbenmisere sei die unnatürliche Turbo-Trimmung der Bienen auf die Produktion möglichst riesiger Mengen Honig gewesen, die sie schwach und anfällig gemacht habe.

Aber, frage ich mich und die sympathischen und emsigen Bienenfreundinnen da, kann man nach einem dermaßen empfindlichen Einschnitt ins Sozialleben so einfach wieder zur Tagesordnung übergehen? Hat man überhaupt Lust, weiterzuarbeiten, als ob nichts geschehen wäre? Natürlich verstehe ich die Imker am Rande des Ruins, die ihre Völker wieder auf Vordermann bringen müssen. Aber ich kann auch die mutigen Bienen verstehen, die den B-Waffen-Krieg überlebt haben, die nun zögernd und blinzelnd aus den leer gefegten Stöcken wuseln.

Sie sollen sich Zeit lassen. Sich ruhig schonen. Einfach ein bisschen herumfliegen, mit den anderen Überlebenden quatschen, feiern, die Königin von nebenan besuchen, mit den Drohnen flirten. Ich bin bereit, auf meinen Honig noch ein wenig zu warten. Bis sie wieder richtig fit sind, streiche ich Pflaumenmus aufs Frischkäsebrot. Und singe andächtig mein kleines Lied: „Sag mir, wo die Bienen sind …“

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