Drašković widersetzt sich Serbiens Premier

Als Außenminister Serbiens und Montenegros will er die Annäherung an Europa. Koštunica ist der Preis dafür zu hoch

BELGRAD taz ■ Der neue Außenminister von Serbien-Montenegro, Vuk Drašković, hat vier vom Haager Tribunal gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher zur Aufgabe aufgerufen. Falls die ehemaligen Generäle, die derzeit unbehelligt in Belgrad leben, wirklich „Helden“ seien, „sollten sie sich stellen“, sagte Drašković dem Rundfunksender B-92. Die Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag bezeichnete er als internationale Verpflichtung. Drašković begab sich damit in offenen Widerspruch zu Serbiens Ministerpräsident Vojislav Koštunica.

Drašković gehört der „Serbischen Erneuerungsbewegung“ an. Er übernahm das Amt des Außenministers, nachdem sein Vorgänger Goran Svilanović letzte Woche zurückgetreten war.

Drašković mag es als ungerecht empfinden, dass gerade er sich jetzt mit den Verbrechen aus der Ära Milošević befassen muss. Unzählige Massendemonstrationen führte er gegen ihn an, zweimal überlebte er Anschläge durch dessen Todesschwadronen.

Serbiens Ministerpräsident Vojislav Koštunica gilt als einer der schärfsten Kritiker des UNO- Tribunals. Er hat klargestellt, dass die Auslieferung serbischer Staatsbürger „nicht die Priorität“ seiner Regierung sei. Trotz Drašković’ Engagement für eine Auslieferung droht Serbien und Montenegro deshalb die internationale Isolation, falls sich die wegen Kriegsverbrechen angeklagten „Helden“ nicht bald Milošević im Gefängnis des UNO- Tribunals anschließen.

Gleichzeitig bemüht Belgrad sich um eine Annäherung an Europa und die Wiederaufnahme in internationale Institutionen. Dafür wurden dem exjugoslawischen Staatenbund allerdings Bedingungen gestellt: Serbien und Montenegro müssen alle wegen Kriegsverbrechen Angeklagten dem UNO-Tribunal in Den Haag ausliefern und auch auf die Klage gegen die Nato-Staaten vor dem IGH verzichten.

Gestern begann die fünftägige Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) über dessen Zuständigkeit in der Causa „Belgrad gegen Nato“. Das Regime von Slobodan Milošević hat nach den Luftangriffen auf die Bundesrepublik Jugoslawien von 1999 die Nato-Staaten wegen „Völkermord“ verklagt. Über 1.300 Zivilisten sollen dabei nach serbischen Angaben ums Leben gekommen sein, der materielle Schaden wird auf rund dreißig Milliarden Dollar geschätzt.

Vor dem IGH laufen auch die Klagen Bosnien und Herzegowinas und Kroatiens gegen Belgrad, und zwar wegen „bewaffneten Angriffs und Völkermords“. Von dem Urteil des IGH hängt eine Entschädigung in Milliardenhöhe ab, die Serbien gegebenenfalls zahlen müsste.

Belgrad werde die Anklage gegen die Nato-Staaten zurückziehen, wenn Kroatien und Bosnien auf die Klage gegen Belgrad verzichten, erklärte Drašković nun. Er werde wie sein Vorgänger die Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal fortsetzen. Es sei „lebenswichtig“, dass Belgrad seine internationalen „Verpflichtungen“ erfülle und eine Isolation vermeide, erklärte Drašković. Dem Außenminister sind jedoch die Hände gebunden, solange seine „Serbische Erneuerungsbewegung“ Partner einer Minderheitskoalition ist, die auf parlamentarische Unterstützung durch Milošević’ Sozialisten angewiesen ist. ANDREJ IVANJI