: Sozialverbände wollen kein Pflichtjahr
Justizministerin Zypries’ Vorstoß für ein soziales Pflichtjahr trifft auf Unverständnis bei den Wohlfahrtsverbänden
KÖLN taz ■ Auf große Skepsis der Wohlfahrtsverbände ist das Ansinnen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries gestoßen, durch eine Neuinterpretation internationaler Menschenrechtskonventionen ein soziales Pflichtjahr für junge Menschen möglich zu machen. Er sehe es „mit einer gewissen Sorge, dass bedenklich schnell Grundrechte in Frage gestellt werden, wenn es politisch in den Kram passt“, sagte der Sprecher des Deutschen Caritasverbandes, Thomas Broch. Sein Verband sei gegen ein soziales Pflichtjahr, auch wenn dies rechtlich möglich gemacht würde. „Der Hauptgrund dagegen ist, dass sich soziales Engagement nicht verordnen lässt“, betonte Broch gegenüber der taz.
Ebenso deutlich fiel die Ablehnung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) aus. Davon halte er „überhaupt nichts“, sagte dessen Sprecher Lübbo Roewer der taz. Das DRK sei „grundsätzlich gegen alle Pflichtjahre“. Denn solche Zwangsdienste widersprächen den Grundsätzen des Deutschen Roten Kreuzes.
Auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) lehne ein solches Pflichtjahr generell ab, betonte AWO-Sprecher Joachim Kendelbacher. Es gebe keinen Sinn, Menschen, in den Pflegebereich zwangszurekrutieren. „Das funktioniert einfach nicht“, kritisierte Kendelbacher. Denn gerade die Arbeit in der Pflege erfordere Liebe und Engagement. Das ließe sich jedoch nicht erzwingen. Im Übrigen stelle sich sein Verband schon länger darauf ein, zukünftig auch ohne Zivildienstleistende seine Aufgaben zu bewältigen. Schließlich würde die AWO bereits seit den Zivildienstkürzungen der Regierung Kohl nach neuen Möglichkeiten suchen. Solche Alternativen seien beispielsweise die Umwandlung in Mini-Jobs, der Ausbau des Freiwilligen Sozialen Jahrs mit Bonusregelungen und die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements.
„Es wäre gut, wenn die rechtlichen Fragen endgültig geklärt würden, damit endlich eine offene politische Debatte geführt werden kann“, sagte demgegenüber Johannes Freiherr Heereman, der Generalsekretär des Malteser Hilfsdiensts. Auch wenn der Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen sei, würden die Malteser, „falls es rechtlich möglich ist“, ein soziales Pflichtjahr „eher befürworten, um unsere sozialen Dienstleistungen aufrechtzuerhalten“.
In einem am Wochenende bekannt gewordenen Brief an Verteidigungsminister Peter Struck, Familienministerin Renate Schmidt und Innenminister Otto Schily hatte Zypries dafür plädiert, internationale Menschenrechtskonventionen, die staatlich verordnete Zwangsdienste eigentlich verbieten, neu zu interpretieren. Diese Konventionen sähen Ausnahmen vor, die Zypries nun so auslegen möchte, dass auch ein soziales Pflichtjahr darin Platz hätte. So erlaubt etwa die Europäische Menschenrechtskonvention Dienstpflichten in vier Fällen: im Gefängnis, im Militär- oder Ersatzdienst, bei Notständen oder Katastrophen und bei Dienstleistungen, die zu den normalen Bürgerpflichten gehören. Unter Letztere könne laut Zypries nun das Pflichtjahr eingereiht werden. Bisher umfassten diese Bürgerpflichten den ehrenamtlichen Deichschutz oder die Pflicht, bei der Feuerwehr auszuhelfen.
PASCAL BEUCKER