Irak: Spanier machen die Fliege

Zustimmung zu sofortigem Abzug der spanischen Soldaten. USA danken den Koalitionskräften, die im Irak bleiben wollen. Kurzer Waffenstillstand in der Saddam-Hochburg Falludscha vereinbart

BAGDAD/BERLIN afp/ap/dpa ■ Washington und Berlin haben gestern zurückhaltend auf den von Spanien angekündigten, überraschend schnellen Truppenrückzug aus dem Irak reagiert. Die Bundesregierung wollte den Rückzug keinesfalls als „Einknicken“ der neuen Regierung in Madrid vor dem Terror bewertet sehen. Der Abzug sei schon lange angekündigt gewesen. Berlin respektiere diese autonome Entscheidung der neu gewählten Regierung.

Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero hatte am Sonntagabend als erste Amtshandlung den möglichst schnellen Abzug der 1.300 spanischen SoldatInnen aus dem Irak angekündigt. Vor gut einem Monat hatten islamistische Terroristen in Madrid bei Anschlägen mehr als 190 Menschen getötet.

„Mit dieser Entscheidung hat Spanien sich unserer Meinung angeschlossen“, sagte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi in Rom. Prodi forderte die Übernahme der Verantwortung im Irak durch die UNO.

Die US-Regierung sei denjenigen Partnern der Koalition dankbar, die ihre Truppen im Irak behielten, um die „Mission“ zu Ende zu führen, sagte gestern ein Sprecher des Weißen Hauses in Washington. Ein Sprecher der US-geführten Koalitionstruppen im Irak nannte den Rückzug der Spanier am Montag „kein großes Problem“.

Der radikale schiitische Geistliche Muktada al-Sadr, der zum Kampf gegen die Besatzungsmacht im Irak aufruft, reagierte prompt auf die Madrider Erklärung. Er rief seine Anhänger auf, die spanischen Soldaten bis zu ihrem Abzug in Ruhe zu lassen, solange diese auch keine Gewalt ausübten, wie sein Vertrauter Kais al-Chasali in Bagdad sagte. Demnach befürwortet al-Sadr den Einsatz einer UN-Friedenstruppe im Irak, welche von muslimischen Staaten gebildet werden solle oder von anderen Staaten, die nicht den Koalitionstruppen angehörten.

US-Zivilverwalter Paul Bremer warnte angesichts der angespannten Sicherheitslage im Irak erstmals offen davor, die Bevölkerung nach der geplanten Machtübergabe an eine irakische Übergangsregierung am 30. Juni im Stich zu lassen. Nach der Gewaltwelle der vergangenen Wochen scheint sich die Lage etwas zu entspannen: Vertreter der US-Besatzung und Gesandte aus Falludscha riefen die Widerstandskämpfer in der seit zwei Wochen umstellten Stadt am Montag zur Abgabe ihrer Waffen auf. Die US-Truppen sagten zu, während einer Entwaffnung auf weitere Militäraktionen zu verzichten. Falludscha gilt als Hochburg der Saddam-Anhänger.

In den vergangenen drei Wochen verloren die US-Streitkräfte mehr Soldaten als in den drei Wochen dauernden Hauptkampfhandlungen vor einem Jahr. Seit dem 31. März kamen 104 US-Soldaten ums Leben. wg

ausland SEITE 10kultur SEITE 15