Stadtschloss? Find ich gut!

Auch in Potsdam soll das Stadtschloss rekonstruiert werden – finanziert vom Otto-Konzern. Brandenburg müsste dennoch rund 80 Millionen Euro zuschießen. Weil dort nach der Länderfusion das Parlament tagen soll, schielt man auf Geld aus Berlin

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Vielleicht ist der Pförtner im Alten Rathaus derjenige, der das einstige Potsdamer Stadtschloss am besten kennt. Von morgens bis abends geht sein Blick durch die Glasscheibe der Pförtnerloge auf das Stadtschlossmodell mit dem Fortunaportal – und das schon seit langem. Manchmal wenn Touristen in das Foyer des Alten Rathauses strömen, wechselt der Beamte in seinen selbst ernannten Zweitjob als Fremdenführer und gibt Auskunft zur den immer gleichen Fragen: Wo stand das Stadtschloss, wie und wann wird es wieder aufgebaut, und wer bezahlt das Ganze?

Bis vor einem Jahr, zur Amtszeit von Matthias Platzeck als SPD-Bürgermeister, stand das riesige Modell noch vor dessen Amtszimmer. Dort versammelte der „Deichgraf“ des Öfteren private Investoren, um ihnen die Investition für den Wiederaufbau der von den DDR-Oberen 1959 gesprengten Preußenresidenz schmackhaft zu machen. Vergeblich. Auch der Pförtner wiegt seinen Kopf, wenn er nach der Realisierung gefragt wird. „Die Stadt hat nicht ausreichend Mittel, das zu bauen.“ Und mögliche Finanziers? Achselzucken.

Jetzt gibt es einen neuen Interessenten, der wohl ernsthaft mit der Stadt verhandelt und den Wiederaufbau des Schlosses in der Stadtmitte bezahlen will. Aus dem Rathaus wie aus dem Landtag Brandenburg ist nach geheim gehaltenen Gesprächen nun durchgedrungen, dass der Otto-Konzern gemeinsam mit dem Projektentwickler ECE das Schloss ab 2005 bis zur geplanten Länderfusion 2009 hochziehen möchte.

Die Ergebnisse der „Erörterungen“ beinhalten erstmals Handfestes, man spricht gar von einer wirklich „realistischen Chance“: Oberbürgermeister Jakobs (SPD) und Alexander Otto sind demnach übereingekommen, dass der Konzern und das Land das Gebäude am einstigen Standort auf dem Alten Markt für 160 bis 180 Millionen Euro errichten. Vorgesehen ist, die dreigeschossige historische Fassade mit ihren Säulenrisaliten und Eckpavillons wieder herzustellen.

Im Innern dagegen soll ein moderner architektonischer Kern entstehen – mit vier Geschossen und einem Plenarsaal im Hof, ist doch als Nutzer des 12.500 Quadratmeter großen Kastens die zukünftige Berlin-Brandenburger Landesregierung vorgesehen. Denn nach der Länderehe – so die vorläufigen Planungen in Berlin und Potsdam – ist der Sitz des Parlaments für Potsdam anvisiert.

Der Otto-Konzern und ECE beabsichtigten, das Schloss für 30 Jahre an das Land zu vermieten. Von den kalkulierten rund 180 Millionen Euro soll das Land über 40 Millionen Euro selbst tragen – im Wesentlichen für die Rekonstruktionsarbeiten der Barockfassade. Ein weiterer Knackpunkt ist der Standort und die bestehende Gebäude- und Verkehrsinfrastruktur, müssten doch ein Haus abgerissen und die Kreuzung Lange Brücke/Ebert- und Breitestraße verlegt werden. Auch für diese umfangreichen Arbeiten sowie für Freilegungen denkmalgeschützer Fundamente fielen weitere 40 Millionen an, die aus dem Landeshaushalt gesponsort werden müssten.

Während Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) schon euphorisch den „Aufbau der historische Stadtmitte“ wiederkehren sieht, gibt man sich bei den anderen Landtagsfraktionen vorsichtig angesichts der möglichen Eigenmittel für den Bau und zugleich leerer Kassen. Das Defizit des Landes beläuft sich auf 15 Milliarden Euro. Für den Regierungssitz gibt es eine Neubauplanung beziehungsweise Überlegungen, den genutzten „Kreml“ zu modernisieren. Kulturministerin Wanka warnt nach Medienberichten, dass bei einem Schlossbau die vielen brüchigen Schlösser in Brandenburg in der Prioritätenliste zur Sanierung weiter absacken könnten.

SPD-Fraktionschef Gunter Fritsch will darum den Investor noch weiter ausreizen und hofft auf das Engagement, das Otto bisher in Potsdam bereits gezeigt hat. So hat der Konzernchef Gelder für die Garnisonskirche und Sanierungsarbeiten in der Altstadt in beträchtlichem Umfang gespendet. Außerdem wurde der kleine Belvedere auf dem Pfingstberg mit seinen Mitteln restauriert. Schließlich macht Fritsch die Gleichung auf, dass das Land für die notwendigen Sanierungen des bisherigen Regierungssitzes Summen in der Höhe der Zuzahlungen aufbringen müsste.

Wenn im Juli eine weitere Schlossrunde zum Thema in Potsdam tagt, wird wohl eine zusätzliche Rechnung aufgemacht: Zum einen wird Berlin unter Druck gesetzt, sich zu den Umzugsplänen der Regierung nach einer Länderfusion zu äußern. Zum anderen wird mit Sicherheit die Frage gestellt, ob der gemeinsame Parlaments- und Regierungssitz nicht auch mit Mitteln des Stadtstaates finanziert werden müsste. Denn adelig wohnen verpflichtet.