„Auch auf Gott vertrauen“

Kardinal Georg Sterzinsky, Erzbischof von Berlin, stellt den Sanierungsplan für sein Bistum vor und lehnt einen Rücktritt ab. 400 Vollzeitstellen fallen weg. Selbst der Abriss von Kirchen wird erwogen

von PHILIPP GESSLER

Nein, sagte Kardinal Georg Sterzinsky gestern vor der Presse, er könne nicht erklären, warum er nicht zurücktrete als Erzbischof von Berlin, was er durchaus erwogen habe. Es sei eben ein „geistliches Amt“, das man nicht aufgebe, wenn es Schwierigkeiten gebe. Ein Nachfolger hätte sich länger einarbeiten müssen, ein Wechsel in einer Krise könne die Krise noch vergrößern. Und mitten in einem Gewitter fange man ja auch nicht an, ein Dach auszutauschen. Seit 1989 ist Sterzinsky der Oberhirte der drittgrößten Diözese der Bundesrepublik, die unter seiner Führung einen Schuldenberg von 150 Millionen Euro angehäuft hat.

Im Erzbischöflichen Ordinariat wurde gestern der Sanierungsplan für das Bistum vorgestellt – und rund 600 Mitarbeiter der Kirche werden die härtesten Konsequenzen der Schuldenpolitik ihres Bischofs tragen müssen: Rund 400 Vollzeitstellen werden abgebaut, um Geld zu sparen, das sind etwa 15 Prozent der 2.700 Vollzeitstellen des Bistums. Treffen wird es vor allem die Mitarbeiter in der Verwaltung, in der Seelsorge etwa im Krankenhaus und in den Gemeinden. Dort jedoch kaum die Pfarrer, die nur früher in Pension gehen können, sondern vielmehr die Laien, die in den Gemeinden mitarbeiten: Küster und Organisten, Putzfrauen und Sekretärinnen. Priester könnten auch in anderen Diözesen Dienst tun: Schon jetzt arbeiteten zwei Geistliche in Sibirien.

Bis 2006 soll sich der Personalabbau hinziehen – nur als „Ultima Ratio“, so der Kardinal, werde es betriebsbedingte Kündigungen geben. Schon in diesem Monat würden erste Gespräche mit Betroffenen geführt. Durch Fusionen soll die Zahl der Gemeinden von derzeit 207 auf nur noch 106 fast halbiert werden. Alle „Gottesdienststandorte“ blieben aber in der Regel erhalten, sagte der Erzbischof.

Um die Liquidität wiederzuerlangen, sollen zudem große Teile der kirchlichen Immobilien verkauft werden. Für sie will man einen guten Preis bekommen, was aber unsicher ist. Das Bistum muss sich dem Plan nach von einem Viertel der bebauten Fläche in den Kirchengemeinden trennen. Auch das Siedlungsunternehmen „Petruswerk“ soll zum Kauf angeboten werden. Der neue Finanzdezernent des Bistums, Hans-Jörg Niermann, sagte, die „Liquiditätssituation“ der Diözese sei „sehr angespannt“. Es sei nötig, „alle Grausamkeiten“ mit „Rückgrat und Konsequenz“ durchzusetzen, soll die Sanierung gelingen: „Ich werde mir nicht nur Freunde machen, das merke ich jetzt schon.“ Bis 2008 will das Bistum weitgehend schuldenfrei sein.

Dazu erwägt der Bischof sogar den Abriss von Kirchen: Von den modernen „Betonkirchen“, die saniert werden müssten, könnte „die eine oder andere besser abgerissen werden“, wenn es einen anderen Ort für Gottesdienste gebe. Wahrscheinlich aber werde dies nur ein oder zwei treffen. Andere Kirchen könnte man aufgeben und für andere Zwecke nutzen, etwa für Kunstausstellungen.

Auf dem Hof des Erzbischöflichen Ordinariats erhielten die Mitarbeiter der Verwaltung, der Kurie, am Morgen vor der Pressekonferenz des Bischofs erste Informationen über die Sanierung aus dem Mund Peter Wehrs. Er ist Generalvikar und damit so etwas wie der Manager des Bistums. Ohne größere Regung nahmen die vielleicht 80 anwesenden Verwaltungsangestellten die Ankündigungen des Geistlichen zur Kenntnis – „jüngstes Gericht“ nannte ein Mitarbeiter das Treffen im neugotischen Backsteinhof. Wehr bat seine Mitarbeiter am Ende seiner Rede, „letztendlich auch auf Gott zu vertrauen“: „Sein Geist ist mit uns.“

Wie die Gefühlslage bei den Angestellten ungefähr aussieht, ließen die Mitarbeiter der Tischlerei erkennen. Insgesamt zwölf Maler, Elektriker und Tischler würden entlassen – einen Job habe noch keiner. Einer von ihnen sei 32 Jahre im Job, erzählten seine Kollegen, der andere 34 Jahre. „Mit denen hat noch nicht einmal einer gesprochen“, sagte einer. Sie seien „nicht ordentlich behandelt worden“. Abwegig sei der Vorschlag aus der Kurie, sich doch mit zehn Leuten selbstständig zu machen, weil man ein Jahr vom Bistum eine Auftragsgarantie erhalte: Angesichts der Lage in der Bauwirtschaft und der starken Konkurrenz in Berlin könne sich so ein großer Betrieb gar nicht halten.

Guten Mutes zeigte sich dagegen Kardinal Sterzinsky, der keine Arbeitslosigkeit fürchten muss: In diesem und im kommenden Jahr werde es „mit Gottes Segen“ gelingen, die Finanzen des Erzbistums zu sanieren: „zum Wohle der katholischen Kirche in Berlin und in Deutschland insgesamt“, sagte er.