Minimale Bewegung

Der seit 1991 in Hamburg lebende Fotograf Serge Marcel Martinot bannt in seinen „un-deux-trois“ betitelten Dreier-Sequenzen die Anonymität der Großstadt ins Bild. Eine Ausstellung in der Aplanat Galerie für Fotografie

Erzählen drei Fotos mehr als eins? Kommt darauf an. Serge Marcel Martinot hat die Dreiersequenz zu seinem Prinzip erhoben. Der 1944 in Paris geborene Künstler fotografiert seit 25 Jahren alltägliche Szenen mehrmals kurz hintereinander. Die derzeit in der Aplanat Galerie für Fotografie präsentierten Werke sind Momentaufnahmen, die in der Serie ihren Reiz gewinnen – oder auch nicht. Ein Ausflugsboot schippert über die Elbe, ein Porsche fährt über eine Pariser Straße. Das ist einmal, zweimal, dreimal langweilig, egal ob die Fahrzeuge von vorn, von der Mitte oder von hinten zu sehen sind.

Spannend werden Martinots Triptychen immer dann, wenn sie Menschen in Bewegung zeigen. Das ist bei den meisten der rund zwei Dutzend Schwarzweiß-Sequenzen der Fall. Aufgenommen in Paris, Hamburg oder New York, zeigen sie in Sekundenschnelle wechselnde Menschenkonstellationen auf Straßen und Rolltreppen, im Park oder im Museum. Keiner der Passanten schaut in die Kamera. Trotzdem entwickeln sich im Kopf des Betrachters kleine, meist melancholische Geschichten. Die junge Frau da könnte doch dem jungen Mann, der ihr auf einer Kreuzung entgegenkommt, ein Lächeln schenken. Aber nein, auf dem zweiten Foto ist er schon weg. Anonymität der Großstadt wird bei Martinot doppelt und dreifach spürbar.

Umso lustvoller ist Martinots Blick auf junge Frauen. Besonders gern schaut der seit 1991 in Hamburg lebende Fotograf ihnen auf die Hüftpartie. Erst schwingt der Hintern im engen Rock nach links, nach rechts, dann wieder nach links. Hier outet sich Martinot nicht nur als Voyeur – was natürlich jeder Fotograf ist –; der grazile Hüftschwung steht für mehr: Als Straßenfotograf stellt Martinot das Prinzip der Bewegung in den Fokus – und sei sie minimal.

Es macht Spaß, wie in einem Suchbild nach solchen winzigen Veränderungen zu forschen. So sitzt ein Mann auf einer Parkbank an der Seine scheinbar bewegungslos, während Spaziergänger an ihm vorbeilaufen. Auf dem dritten Foto hat sich schließlich auch der Sitzende bewegt. Sein Kopf dreht sich nun in eine andere Richtung. Auch komische Momente fängt Martinot ein. Leine, martialisch wirkende Stöckelschuhe und ein kleiner Hund im Strickmäntelchen: In dreimal neuen Konstellationen leuchten sie aus der Froschperspektive den zähen Kampf einer Hundebesitzerin mit ihrem renitenten Zamperl aus. Karin Liebe

Di-Fr 16- 19.30, Sa 13-17 Uhr, Aplanat Galerie für Fotografie; bis 4. Juli