Deutsches Volksgut

Auch ein Versuch, mit Geschichte umzugehen: Jens Huckeriede zeigt seine Doku „Return of the Tüdelband“ noch mal im Zeise. Morgen Diskussion über „Neue Formen der Erinnerung“

von Alexander Diehl

„Mir war immer klar: Ich will keinen historischen Dokumentarfilm machen. Sondern es geht um neue Formen der Erinnerung“, so der Filmemacher Jens Huckeriede über seine Beschäftigung mit dem Schicksal der jüdischen Hamburger Schlachterfamilie Isaac. Deren Sprösslinge Ludwig, Leopold und James erlangten als Komponisten und Sänger humoristischer Couplets im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts enorme Popularität in Hamburg und darüber hinaus: als Wolf-Trio beziehungsweise Gebrüder Wolf. Zeitweise zu „deutschem Volksgut“ deklariert, überlebte zwar ihre unübertroffene Hamburgensie „An de Eck‘ steiht ‘n Jung mit ‘n Tüdelband“ zwischen NDR-Repertoire und Ohnsorg-Revue, nicht aber das Wissen um seine vertriebenen oder umgebrachten Urheber.

„Bei mir saß ein Lehrer und sagte: Was soll ich machen? Die Schüler interessieren sich nicht für Synagogen oder für jüdische Friedhöfe“, erinnert sich Huckeriede. Nicht zuletzt diese Frage, wie sich also die Geschichte des „III. Reichs“ und der Shoah an die dritte Generation – die der Täter wie jene der Opfer – vermitteln lasse, habe ihn auf die Vorgehensweise seines Film Return Of the Tüdelband gebracht.

Einen roten Faden bildet die Spurensuche des demnächst 30-jährigen (Ur-)Enkels Dan Wolf. Der hat Theater studiert, ist im heimischen Marin County, Kalifornien, als Rapper auf Bühnen zu Hause und erhält so ganz nebenbei die Familientradition am Leben. Und er bietet Huckeriedes Film einen Aufhänger für seinen Brückenschlag ganz nah an die Gegenwart, dorthin also, wo er verstanden werden will. Denn zu erzählen, fand Huckeriede, sei die Geschichte nicht so, wie zuvor schon unzählige ähnliche erzählt worden seien, „dass man trauern kann, dass man beweinen kann, wie schön es doch mal war, das alte Hamburg“. Zeigen wollte er gerade auch das, „was überlebt hat“. Bemerkenswerterweise stieß er damit nicht überall auf Wohlwollen: Die Filmbewertungsstelle etwa befand, Return of the Tüdelband habe sein Thema verfehlt, und auch dem zeitweise als Koproduzent gehandelten NDR erschien Huckeriedes Erzählweise dann doch zu unorthodox.

Mit „Neue Formen der Erinnerung“, ganz wie Huckeriede es eingangs nannte, ist die auf die morgige Aufführung von Return of the Tüdelband folgende Diskussion an gleicher Stelle betitelt. Moderiert von Cornelia Berens, Hamburger Institut für Sozialforschung, teilt der Regisseur sich das Podium mit der Künstlerin Karin Guth, dem Schulleiter der Klosterschule, Ruben Herzberg, sowie Wolfgang Kraushaar, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung. Ausgehend von den Problemen, denen sich die Mahn- und Erinnerungsarbeit aktuell gegenüber sieht, geht es um den Mut. Und nicht zuletzt solchen braucht es offenbar, den alten Herausforderungen auf neue, wirkungsvolle Weisen zu begegnen: „Betroffenheitskultur bedeutet Resignation“, lautet eine These.

Morgen, 19 Uhr, anschließend Diskussion; weitere Vorstellungen: 25. April, 2. Mai, jeweils 15 Uhr, Zeise