american pie
: Die Quadratur des Dreiecks

Die Aussichten von Kevin Garnett und seinen Minnesota Timberwolves, endlich auch mal in den Playoffs der NBA zu glänzen, sind diesmal exzellent

Etwas Besseres als Sam Cassell konnte Kevin Garnett nicht passieren. Seit der 34-jährige Basketballer bei den Minnesota Timberwolves spielt, liefert er Garnett nicht nur zuckersüße Pässe und steuert bildschöne Korbwürfe bei, sondern nimmt dem Star des Teams aus der Doppelstadt Minneapolis/St. Paul auch eine Menge Redezeit und Verantwortung ab. Auf den Mund gefallen war Sam Cassell noch nie, und so zögert er auch nicht zu verkünden, dass nunmehr neue Zeiten bei den Wolves angebrochen seien: Sprich: das Team ist reif für den Titel.

„Ach, es ist schön“, sagte Kevin Garnett, Topkandidat für den Titel des besten Saisonspielers, nach dem klaren 106:92-Sieg im ersten Playoff-Match gegen die Denver Nuggets und fügte großherzig hinzu: „Wie wir gespielt haben, das schreibe ich Sam und Spree zu.“ Mit 30 Punkten und 20 Rebounds hatte Garnett zwar gewohnte Werte erreicht, der 27-Jährige spielte aber längst nicht so dominant, wie es früher meist der Fall war. Einen großen Teil der Last trugen seine beiden kongenialen Mitstreiter. Sam Cassell holte 40 Punkte und Latrell Sprewell überzeugte mit seinem soliden All-Around-Game. Derartige Unterstützung kannte Garnett nicht mehr, seit Stephon Marbury bei den Timberwolves spielte. Damals jedoch waren beide noch zu jung und unerfahren für den großen Wurf, und dann verließ Marbury 1999 das Team, weil er es satt hatte, im Schatten des direkt von der High School in die NBA gekommenen Garnett zu stehen. Das Team der Zukunft, das Generalmanager Kevin McHale und Coach Flip Saunders im Kopf hatten, war gesprengt, seither versuchten die beiden, eine neue gewinnträchtige Formel zu finden.

Erst die letzte Neuformierung des Kaders brachte den gewünschten Erfolg. Nur drei Spieler aus der vorigen Saison sind übrig, neben Cassell und Sprewell kamen auch Leute wie Michael Olowokandi, Ervin Johnson oder Trenton Hassell. „Vorher haben wir Spieler geholt, von denen wir dachten, dass K.G. sie besser macht“, erläutert Saunders, „jetzt brachten wir Spieler her, von denen wir dachten, dass sie K.G. besser machen.“

Die Sache funktioniert prächtig. „Es macht einfach Spaß“, meint Garnett vor dem heutigen zweiten Spiel gegen Denver. Und hofft, dass der Spaß diesmal bis ins NBA-Finale weitergeht. Bisher war der Name Kevin Garnett nämlich ein Synonym für komplette Erfolglosigkeit in den Playoffs. Siebenmal in Folge schied er mit seinem Team in der ersten Runde aus und war jedes Mal der Sündenbock, da er nie die Form aus der regulären Saison erreichte. Vorletztes Jahr beim kläglichen Aus gegen Dallas wurde er von Dirk Nowitzki, der seine Würfe gegen ihn nach Belieben traf, sogar fast lächerlich gemacht. Doch jetzt hat er Sam Cassell, der Anspielungen auf Garnetts Playoff-Bilanz mit seiner eigenen zu kontern pflegt. Zu Beginn seiner NBA-Karriere war Cassell schließlich 1994 und 1995 Champion mit den Houston Rockets, wozu er nicht wenig beitrug. Weder New York Knicks noch Orlando Magic konnten damals etwas anfangen mit dem frechen Burschen, der jeden Wurf nahm, den er kriegen konnte, und die meisten versenkte.

Diese Eigenschaft hat sich Cassell auf seiner Wanderschaft durch die Klubs der NBA bewahrt, doch lange kam sie nicht mehr so zum Tragen wie nun bei den Minnesota Timberwolves. Das Dreieck, das er mit Sprewell und Garnett bildet, war der maßgebliche Grund dafür, dass die Wolves die Saison als bestes Team des Westens abschlossen. Hier lauert allerdings auch eine Gefahr, wenn stärkere Gegner als Denver kommen, das vor allem dank Rookie Carmelo Anthony zum ersten Mal seit 1995 die Playoffs erreicht hat. Garnett, Sprewell und Cassell haben in der Saison 64 Prozent der Punkte des Teams geholt. Wer es schafft, einen Teil des Trios lahm zu legen, darf sich gute Chancen ausrechnen. Man kann davon ausgehen, dass so mancher Coach potenzieller Kontrahenten schon jetzt darüber brütet, wie diese Quadratur des Dreiecks zu bewerkstelligen ist. MATTI LIESKE