Glatter Freispruch

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Die Bundesregierung hat gestern in Karlsruhe den größten anzunehmenden Erfolg erzielt. Das Konzept der Ökosteuer wurde vom Bundesverfassungsgericht in allen Punkten abgesegnet. Der Staat darf Ökosteuern erheben und dabei Wirtschaftsbranchen bevorzugen; Spediteure und Kühlhausbetreiber müssen in diese Begünstigungen nicht mit einbezogen werden. Geklagt hatten fünf Spediteure und zwei Kühlhausbetreiber, die nicht nur Sonderregelungen für ihre Branchen forderten, sondern auch das Konzept der Ökosteuer generell für verfassungswidrig hielten.

Die Ökosteuer will den Energieverbrauch verteuern und Arbeit verbilligen. Deshalb fließen die Einnahmen aus Stromsteuer und zusätzlicher Mineralölsteuer fast vollständig in die Rentenversicherung. Der Erste Senat des Verfassungsgerichts hat beide Aspekte nunmehr durchgewinkt. Der Staat dürfe mit Steuern nicht nur Einnahmen erzielen, sondern auch die Gesellschaft lenken, etwa indem er versucht, die Bürger zum Energiesparen anzuhalten. Auch die Zweckbindung für die Senkung des Rentenbeitrags hielten die Richter für zulässig. Normalerweise fließen Steuern zwar in den großen Topf, doch sei diese Regel nicht im Grundgesetz verankert, weshalb es auch Ausnahmen geben könne. Schon bisher war ein Teil der Mineralölsteuer für Straßenbau reserviert.

Dass Karlsruhe die Ökosteuer sogar einstimmig akzeptiert, hätte vor 15 Jahren kaum jemand erwartet. Damals hatte die Mehrheit der Staats- und Steuerrechtler eine Ökosteuer für bedenklich oder gar unzulässig gehalten. Gebilligt wurde auch, dass nur das produzierende Gewerbe verbilligte Sätze zahle, weil seine Waren weltweit gehandelt werden können und damit am stärksten dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt seien. Bürger und Dienstleister müssen dagegen weiterhin die volle Steuer berappen. Die produzierende Wirtschaft zahlt derzeit nur 60 Prozent der Ökosteuer – und wenn die Summe höher ist als die erhaltene Entlastung beim Arbeitgeberbeitrag zur Rente, dann sogar nur drei Prozent. Karlsruhe wertete dies als zulässige Subvention in Form einer Steuererleichterung. Bei der Wirtschaftsförderung habe der Staat „große Gestaltungsfreiheit“, solange er nicht willkürlich vorgehe.

Die Kläger führten auf, dass auch sie im internationalen Wettbewerb stehen und ebenfalls die erhöhten Kosten nicht an ihre Kunden weitergeben können. Doch Karlsruhe blieb hart. Aus einer Subvention für eine Branche könne kein Anspruch für andere abgeleitet werden, heißt es. Dabei waren den Kühlhausbetreibern gute Chancen eingeräumt worden, weil im Jahr 2001 sogar der Bundesfinanzhof die Klage unterstützte. Es könne nicht sein, dass die Produzenten von Tiefkühlkost für ihre Kühlhäuser den reduzierten Satz zahlen, während freie Kühlhäuser als Dienstleister voll bezahlen müssen, hieß es damals. Doch Karlsruhe wies nun darauf hin, dass kein Wettbewerb zwischen beiden bestehe, da laut Gesetz die Vergünstigung nur für die Kühlung eigener Produkte gilt. Die freien Betreiber konnten im Übrigen nicht einmal einen spürbaren Rückgang ihrer Auslastung nachweisen.

Auch Spediteure sind durch die Ökosteuer weniger belastet, als sie behaupten. Wie die mündliche Verhandlung im Dezember ergab, tanken deutsche Lkws im Ausland, wenn sie international verkehren. Und im rein innerdeutschen Verkehr liegt der Marktanteil von ausländischen Lkws nur bei einem Prozent. Karlheinz Schmidt vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung rechnet dennoch mit dem Verlust von 150.000 Arbeitsplätzen in den nächsten Jahren. Finanzstaatsekretärin Barbara Hendricks (SPD) führt dies jedoch auf „Überkapazitäten“ zurück.