Universitäten werden selbständig

Die Reform des Hochschulgesetzes verspricht den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen mehr Eigenverantwortung – erhöht aber auch den Druck, sich für die Verwendung von Landesmitteln zu rechtfertigen. Die Universitäten fordern mehr Zeit für die Umstellung

DÜSSELDORF taz ■ “2010“ (sprich: zwanzig-zehn) wohin man sieht. Nun hat auch NRW sein Hochschulkonzept 2010. „Damit sichern wir die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen“, begründet Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft (SPD) ihren Gesetzentwurf, der im Juni vom Landtag verabschiedet werden soll.

Ein ganzer Strauß Neues verspricht das Gesetz. So sollen die 34 Universitäten und Fachhochschulen des Landes mehr Unabhängigkeit bekommen. Für eine Professur soll eine Habilitation kein Muss mehr sein, ab dem Wintersemester 2006/2007 sollen nur noch Einschreibungen in Bachelor- und Masterstudiengänge möglich sein. Und schließlich können die Hochschulen auf die sprunghaft gestiegenen Zahlen der Studienbewerber aus Nicht-EU-Ländern mit der Erhebung von Bearbeitungsgebühren reagieren.

Kern der Gesetzesnovelle ist die Hochschul-Autonomie. „Damit sind wir bundesweit führend“, so Ministerin Kraft. Es geht um mehr Profilbildung: Starke Fächer können in eigener Regie ausgebaut werden, schwächere zurückgefahren werden. Dazu wird den Hochschulen regelmäßig der Spiegel vorgehalten – „Evaluation“ heißt dabei das Modewort. Drittmitteleinwerbung, Studiendauer und Studierendenzahl gehören zu den Parametern beim Vergleich der Hochschulangebote.

Exotenfächer wie Bergbau sind demnach chronisch schwach ausgelastet. Auch beim Maschinenbau oder der Architektur gibt es nach den Berechnungen entweder zu viele Wissenschaftler für zu wenig Studenten – oder, wie im Fall der Architektur, zu schlechte Beschäftigungsprognosen für zu viele Absolventen.

Beispiel Maschinenbau: Die derzeit 10.330 Studienplätze sind nur zu 51 Prozent ausgelastet. Dabei sind die Prognosen für das Fach positiv. Das Ministerium will die Auslastung auf 80 Prozent steigern und die Zahl der Studienplätze auf 8.300 reduzieren. Der schwarze Peter liegt bei den Hochschulen. Ob nun alle Hochschulen ein paar Maschinenbau-Kapazitäten reduzieren oder ob eine das ganze Fach streicht, will nicht Düsseldorf entscheiden. Zur Zeit müssen die Unis und Fachhochschulen eigene Standortentwicklungspläne entwerfen und dem Ministerium vorlegen, das dann über die Mittelvergabe entscheidet.

Grundsätzliche Kritik kommt von der CDU-Fraktion. „Man kann die Auslastung von Hochschulen nicht auf zehn Jahre anhand von Arbeitsmarktprognosen planen“, kritisiert Manfred Kuhmichel, hochschulpolitischer Sprecher. Ähnliche Modelle zentraler Planung seien bereits in den 70er Jahren gescheitert. Eberhard Becker, Rektor der Universität Dortmund, fordert mehr Zeit: „Ich verstehe, dass das Land Ressourcen optimal einsetzen will. Aber es muss auch einen Entwicklungsschutz geben.“ Einerseits werde von Autonomie für die Hochschulen gesprochen, „andererseits sind wir dann doch eine nachgeordnete Behörde, die Vorgaben erfüllen muss. Eine größere Autonomie wäre angebrachter.“ Auch in Bochum sieht man die Novelle mit gemischten Gefühlen. „Wir sind die einzige Ruhrgebiets-Uni, die die kompletten Geisteswissenschaften und Jura anbietet“, so Pressesprecher Josef König. Das ermögliche erstklassige interdisziplinäre Zusammenarbeit. „Da kann man nichts wegnehmen.“HOLGER ELFES