Wohnungshaie sind zufrieden

Die Essener Viterra hat kräftig am Ruhrgebiet verdient: Wohnungsverkäufe haben die Bilanz des Immobilienriesen nach oben gezogen. MieterInnen fürchten eine Totalzerschlagung des Konzerns

VON ANNIKA JOERES

Die massenhaften Wohnungsverkäufe im Ruhrgebiet haben sich für Viterra gelohnt: Auf der gestrigen Jahreshauptversammlung des Essener Immobilienkonzerns konnte Viterra-Vorstandschef Wolfhard Leichnitz ein sattes Betriebsergebnis verkünden: Das Betriebsergebnis erhöhte sich 2003 um 45 Prozent auf 295 Millionen Euro. „Ich glaube an eine Renaissance der Wohnimmobilien“, sagte Leichnitz. Viterra rechne mit einer „deutlich günstigeren“ Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt im Vergleich zum Geschäft mit Büroimmobilien.

Das größte Wohnungsbauunternehmen Deutschlands bewirtschaftet im Ruhrgebiet noch knapp 90.000 Wohnungen. Trotz des vorhergesagten massiven Bevölkerungsrückgangs von zehn Prozent sieht Viterra auch in der Zukunft hier ihr Kerngeschäft. „In den kommenden zehn Jahren wird die Zahl der Haushalte ja nicht zurückgehen“, sagt Leichnitz. Im Mittelpunkt des Geschäfts stehe der Handel mit Häusern und Wohnungen in Ballungszentren. Viterra-Vorstand Manfred Püschel bezifferte den Verkehrswert des Viterra-Wohnungsbestands auf derzeit rund 6,1 Milliarden Euro, davon entfalle knapp die Hälfte auf die rund 90.000 Wohnungen im Ruhrgebiet.

Für das laufende Jahr kann Viterra mit noch größeren Gewinnen rechnen: Der Verkauf von 27.000 Wohnungen vor allem im nördlichen Ruhrgebiet fand erst Anfang Januar statt und floss nicht in die gestrige Bilanz mit ein. Mietervereine befürchten nun, dass dieses Jahr zum „gefährlichsten für Viterra-Mieter“ werden könnte: „Höchstwahrscheinlich steht die Totalzerschlagung bevor“, sagt Knut Unger vom Mieterforum Ruhr. Er sieh einen Flächenbrand im Ruhrgebiet voraus: „Zehntausende Mieter und MieterInnen wohnen dann in Spekulationsobjekten.“ Ihre Wohnungen könnten zu lukrativeren Eigentumswohnungen umgewandelt werden, die sich nur wenige von ihnen leisten könnten, die meisten müssten nach Jahrzehnten ihr Zuhause verlassen.

Die Viterra-Verkäufe im Ruhrgebiet haben auch die Landesregierung auf den Plan gerufen. In einem für Mai anvisierten Gespräch zwischen Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD), Wohnugsbauminister Michael Vesper (Grüne) und den Viterra-Chefs soll eine „sozialverträgliche Verkaufspolitik“ vereinbart werden, so Miriam Grothjahn vom Städtebauministerium. Und der Landtag will noch in diesem Jahr die Sperrfrist für Kündigungen von drei auf acht Jahren erhöhen – zumindest in einigen Städten.