Berühmtheit soll aufs Altenteil

Die Mülheimer Stadthalle müsste dringend renoviert werden. Doch weil die Stadt kein Geld hat, will sie das Gebäude lieber abreißen – oder einen privaten Investor finden

Köln taz ■ Die Stadthalle gehört zu Mülheim wie das Jan Wellem-Denkmal oder die Mülheimer Brücke. In den Siebziger- und Achtzigerjahren gaben sich hier noch legendäre Bands wie Motörhead, Asia, „Blood, Sweat & Tears“, Elvis Costello oder King Crimson ein rockiges Stelldichein. Inzwischen ist die 1963 eröffnete Halle allerdings marode – und ihre Zukunft ungewiss.

Nach wie vor ist das Gebäude mit der charakteristischen Rundumverglasung am Mülheimer Stadtgarten ein Anlaufpunkt für Messen, Ausstellungen und Börsen. Rechtsrheinische Karnevalsgesellschaften buchen den Festsaal regelmäßig für ihre Prunksitzungen. Über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde der Veranstaltungsort dann am 15. April 1990 – durch den Anschlag auf den damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine.

Pächter der Stadthalle ist zurzeit Jean Jülich, einst Mitglied der berühmten Widerstandsgruppe „Edelweißpiraten“. Zusammen mit seinem Sohn Marco hatte er im Vorjahr versucht, in dem Gebäude ein Restaurant mit Biergarten zu etablieren. Das Vorhaben scheiterte. „Am Tag sind hier vielleicht 20 bis 40 Leute eingetrudelt. Das rechnete sich einfach nicht“, erklärt Jean Jülich. Und auch die meisten Musikgruppen zieht es mittlerweile eher ins E-Werk oder Palladium. „Wir haben noch einmal versucht, die Bläck Fööss zu bekommen. Aber die gehen lieber in die Köln-Arena“, sagt Jülich. In Zukunft will sich die „Jülich GmbH“ darum weiterhin auf Messen, Börsen und gelegentliche Konzerte beschränken.

Auch äußerlich haben die letzten vier Jahrzehnte an der Halle ihre Spuren hinterlassen. Mittlerweile gilt das Gebäude als stark renovierungsbedürftig. Und die geschätzten Kosten von 1,8 Millionen Euro stellen die Stadt als Besitzer aufgrund der finanziellen Situation vor eine nahezu unlösbare Aufgabe. Am 5. Februar beschloss daher der Liegenschaftssausschuss auf Antrag der Ratsfraktionen von CDU und Grünen, die Möglichkeiten zur Errichtung einer „Mehrzweckhalle“ zu prüfen. Für diese ehrgeizigen Pläne benötigt man allerdings private Investoren, sonst droht nach dem Abriss der Halle womöglich ein Bauloch wie am Josef-Haubrich-Hof.

Der langjährige Mülheimer Bezirksvorsteher Norbert Fuchs (SPD) ist diesbezüglich eher skeptisch. „Hier eine neue Mehrzweckhalle zu bauen halte ich für Quatsch, dafür findet man keine Geldgeber“, meint Fuchs, der in Sachen Renovierung Gespräche mit potenziellen Investoren führt. Nach Auskunft des Bezirksvorstehers hat Bürgermeister Josef Müller (CDU) bereits signalisiert, dass die Stadt ihre ungeliebte Halle eventuell für einen symbolischen Betrag abtreten will. Allerdings läuft der Pachtvertrag mit der Jülich GmbH noch bis zum 30. Oktober 2007.

Die Stadt würde den jetzigen Pächter darum lieber heute als morgen raushaben. Jean Jülich glaubt aber, dass die geschätzten Renovierungskosten viel zu hoch veranschlagt sind. „Die Halle kann wesentlich kostengünstiger repariert werden. Die Regelanlage ist zwar alt, aber sie tut es. Dach und Keller sind ebenfalls wieder dicht“, sagt Jülich. Der Pächter möchte den Vertrag mit der Stadt um vier Monate verlängern, um 2008 noch die Karnevalssession durchziehen zu können.

Sorgen um die weitere Zukunft der Halle machen sich allerdings auch die Karnevalsgesellschaften. „Schließlich müssen wir für unsere Sitzungen zwei Jahre im Voraus planen“, sagt Friedhelm Wagner von der Karnevalsgesellschaft (KG) Flittard. Der Vereinsvorsitzende sieht jetzt die Stadt am Zug: „Bis Ende des Jahres warten wir noch ab, dann muss etwas passieren“, drängt er auf eine baldige Entscheidung. Bernd Hoffmann