Nadelstiche gegen Teufelszeug

Handelskammer fremdelt mit Schwarz-Grün und sehnt sich nach CDU-Alleinregierung zurück. Präses Horch sieht Wirtschaft bedroht durch Schulreform und Umweltauflagen für die Industrie

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Die Hamburger Handelskammer träumt noch immer von den Zeiten, als die CDU mit absoluter Mehrheit in Hamburg regierte. Die Reaktivierung des „Leitbildes Wachsende Stadt“ hat Kammerpräses Frank Horch an Silvester bei der traditionellen „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns“ in der Handelskammer gefordert. Vor etwa 2.400 geladenen Führungskräften aus Wirtschaft und Politik sprach er den in der ersten Reihe sitzenden CDU-Bürgermeister Ole von Beust direkt an: „Setzen Sie gerade in Zeiten der Krise auf ihren besten Markenartikel.“

In Anwesenheit fast des gesamten Senats und der Spitzen von Parteien und Fraktionen machte Horch keinen Hehl daraus, dass die Chefetage der Hamburger Wirtschaft mit der seit einem Dreivierteljahr regierenden schwarz-grünen Koalition weiterhin fremdelt. Ein „positives Investitionsklima“ müsse wieder hergestellt werden, das habe für die Kammer „einen ganz hohen Stellenwert“.

Zu den Debatten über das Kohlekraftwerk Moorburg und die Ansiedlung des Möbelhauses Höffner sagte Horch wörtlich: „Nadelstiche gegen die Wirtschaft bedrohen das Fundament von Handel und Wandel.“ Wegen der hohen Umweltauflagen für Moorburg dränge sich ihm „der Verdacht auf, dass mit viel Behördenfleiß Wege gesucht und gefunden wurden, damit das Kraftwerk an 250 Tagen im Jahr nur mit gedrosselter Leistung betrieben werden darf.“

Auch der seit dem 1. Januar dieses Jahres geltende Wärmelastplan für die Unterelbe zwischen Geesthacht und Cuxhaven gefällt der Kammer nicht. An die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk gewandt sagte Horch: „Achten wir gemeinsam darauf, dass dieser Plan der Hamburger Industrie nicht das Wasser abgräbt.“

Und natürlich setzt die Kammer weiterhin auf ungehinderten Autoverkehr in der Stadt. Für eine City-Maut sieht Horch ebenso wenig Bedarf wie für eine Umweltzone zur Verringerung der Feinstaub-Emission. Diese wäre auch nicht rechtmäßig, da Hamburg über „eine hervorragende Luftqualität“ verfüge.

In ungewöhnlich harten Worten wandte Horch sich gegen die von Schwarz-Grün beschlossene Schulreform aus Primarschule plus anschließender Stadtteilschule oder Gymnasium. Das sei ein „Tohuwabohu“, das keine Probleme löse. Zwar könne es der Wirtschaft „egal sein, wie eine Schule heißt“, so der Präses, „es kommt uns nicht darauf an, was draufsteht, sondern auf das, was drinsteckt.“

Damit provozierte Horch eine undiplomatisch harsche Antwort des Ersten Bürgermeisters. Ole von Beust bekräftigte seinen Willen, die Schulreform umzusetzen. Er könne die Besorgnisse vieler Eltern von Kindern auf den Gymnasien verstehen, räumte er ein: „Aber die Sorgen werden sich nicht verwirklichen“, sagte er am Donnerstag in einem Gespräch mit der DPA. Zudem gebe es qualitative Fortschritte mit kleineren Klassen und besserer Ausstattung. „Und wir werden die Gymnasien ohne nennenswerte Schließungen so ausstatten, dass sie vernünftig arbeiten können“, versprach er.

Beust erinnerte daran, dass er genauso verantwortlich sei für die Kinder türkischer Familien, die in Billstedt oder auf der Veddel zur Schule gingen. „Das darf man nicht gegeneinander ausspielen.“ Noch gebe es rund acht Prozent Schüler in Hamburg, die keinen Schulabschluss haben. Das müsse sich ändern.

Und deshalb habe die schwarz-grüne Koalition mit der sechsstufigen Primarschule ein Modell gewählt, das in Europa längst Standard sei: „Man kann dafür oder dagegen sein“, sagte von Beust, „aber das ist kein Teufelszeug.“