Clement: Mit Kraft weniger Bürokratie

Wirtschaftsminister will den Amtsschimmel nicht nur in drei Testregionen, sondern flächendeckend zähmen

BERLIN taz ■ Der Politrambo ist wieder unterwegs. Gestern schwang sich Wolfgang Clement (SPD) zum großen Entbürokratisierer auf. Er forderte, Deutschlands Regionen von der Befolgung bestimmter Gesetze zu befreien – und zwar sofort und flächendeckend. Das soll Wirtschaft und Bürger entlasten. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) stellte sich nur halb hinter seinen Superminister. Die einzelnen Ressorts sollen nun prüfen, ob die 35 Clement’schen Vorschläge zur Gesetzessuspendierung überhaupt umsetzbar sind.

Das Problem der Rammbockmethode Marke Clement: Niemand kann abschätzen, ob das Jahrhundertprojekt Bürokratieabbau quasi nebenbei umsetzbar ist. Bisher tasteten sich die drei Regionen Bremen, Ostwestfalen-Lippe und West-Mecklenburg-Vorpommern probehalber an die Gesetzesabstinenz heran. Das Kabinett sollte deren Zahl ursprünglich zunächst auf ein knappes Dutzend Innovationsregionen erhöhen. Doch Clement, wie es so seine Art ist, putschte – und will alles auf einmal.

Am meisten Wind innerhalb des Bürokratieabbaus machte gestern eine Liberalisierung des Ladenschlusses. Zu Weihnachten und in Badeorten sollten die Geschäfte durchgehend ihre Türen öffnen dürfen. Derzeit geht das von 6 bis 20 Uhr. Die Übernachtöffnung solle, sagte Clement jetzt, „vor Ort entschieden werden“ – und gab einen Grundkurs im unbeschwerten Leben: „Alles das sollte in Deutschland leichter werden – etwas lockerer und weniger von oben gesteuert als von unten geführt.“

Zu den Vorschlägen zählen auch Erleichterungen im Umweltschutz. Betriebe sollten davon befreit werden, umfangreiche Dokumentationen über ihre Emissionen anzulegen. Clements Lieblingsfeinde, die Grünen, hatten kürzlich signalisiert, dass auch sie gegen die Verrechtlichung der Umweltbewegung sind – im Prinzip. Der Umweltsprecher der Grünen, Reinhard Loske, sagte, „die Umweltpolitik muss die Deregulierungsdebatte nicht fürchten, wenn sie sich ihrer freiheitlichen Wurzeln erinnert“.

Der Fortgang der Entbürokratisierung ist offen. Selbst wenn das Kabinett die 35 Gesetzeserleichterungen absegnen sollte, muss der Bundesrat zustimmen. Es gilt als sicher, dass die zweite Kammer blockiert – weil die Regierung nicht genug liefere. Einen Vorgeschmack auf die Rhetorik lieferte gestern die FDP-Abgeordnete Birgit Homburger: „Das ist Bürokratieabbau im Schneckentempo, außer Ankündigungen ist nichts passiert.“ CIF