Gröpelingen global

Beim neuen Stadtteilrundgang von „Kultur vor Ort“ geht`s „In 80 Minuten um die Welt“ – und hinterher ist alles weniger hässlich

Schön ist es hier nun wirklich nicht – doch der Rundgang öffnet die Augen

Sehenswürdigkeiten gibt es kaum in Gröpelingen. Schön ist es im wohl proletarischsten Viertel von Bremen nun wirklich nicht, und doch lohnt sich ein Stadtteilrundgang. Denn danach sieht man etwa eine italienische Eisdiele, den Parkplatz vor einer Kirche oder ein Eckhaus an der Gröpelinger Heerstrasse mit ganz anderen Augen.

Aber es ist ja auch gar kein Rundgang, sondern ein internationaler Rundflug, der uns da von der adretten Stewardess Anke versprochen wird. Montiert an ihrem Reisekoffer, den sie hinter sich herrollt, hat sie ein kleines Soundsystem, auf dem sie jeweils die Musik ihrer Zielflughäfen spielt.

An einer Strassenecke werden zum Abflug die Gäste gesammelt, ordentlich im imaginären Flugzeug hinter sich platziert - man startet und landet gleich zehn Meter weiter vor der Eisdiele „Molin“, wo jeder Fluggast ein Eis bekommt und die Stewartess von den in Gröpelingen ansässigen Italienern erzählt. Man erfährt wann sie herzogen, wieviele es damals waren und heute noch sind, wo sie arbeiten und wo sie sich treffen.

Ein paar Häuser weiter ist man dann gar in Afrika gelandet: ein unscheinbarer Laden ist der Treffpunkt der 159 im Stadtteil lebenden Ghanesen, und auch von ihnen erzählt Stewardess Anke sehr abschaulich und informativ. Dazu verteilt sie noch ein afrikanisches Rezept aus dem Kochbuch von im Stadtteil lebenden Migranten „Ein Topf voller Gröpelinger“.

Und so geht der „Spazierflug“ durch den globalen Stadtteil dann auch weiter: Man lernt, dass die alte Villa an einer Strassenecke bis zur Naziherrschaft ein jüdisches Altersheim war, geht zum Parkplatz der St. Nikolaus-Kirche, wo sich die polnischen Gröpelinger zu ihren Prozessionen treffen, erfährt von den Integrationsproblemen von jugendlichen Russlanddeutschen, hört Geschichten von Griechen, Portugiesen und Türken, die einst nach Bremen zogen, weil ihre Arbeitskraft hier im Hafen und auf der Werft dringend benötigt wurde.

Die Schauspielerin Inga Kristina Resseguier spielt die Stewardess Anke sehr sympathisch und mit Witz. „Hoffentlich haben Sie ihren Fallschirm dabei“ wird ein „Fluggast“ gefragt, der zu weit hinter dem imaginären Flugzeug zurückbleibt. Nach der Landung in der Lindenhofstrasse gibt es eine Führung durch die Mevlana Moschee und schließlich wird im Vereinsraum von „Vatan Spor“ noch guter türkischer Tee kredenzt. Man hat viel erfahren, sich gut unterhalten und hinterher scheint Gröpelingen nicht mehr ganz so hässlich zu sein.

Wilfried Hippen

Der nächste Stadtteilrundgang mit Stewardess Anke findet diesen Samstag um 18 Uhr statt. Anmeldung erforderlich unter ☎ (0421) 61 97 727 anmelden. Infos über weitere Touren im Netz unter www.torhaus-nord.de