„Starkes Korrektiv“

Beklaut, aber motiviert: Grüne kehren aus der Provinz zurück und versprechen rührige Opposition

taz ■ Dass in Achim um Mitternacht die Bürgersteige hochgeklappt werden und in dieser wie auch jeder anderen Hinsicht Bremen sich nicht hinter dem Örtchen vor seinen Toren verstecken muss – das ist eine von vielen Erkenntnissen, die die Bürgerschaftsfraktion der Grünen von ihrer Klausurtagung auf dem Lande zurück in die Stadt brachte. Zwar klingt das, was die zurückgekehrten Grünen gestern als grobe Linien für die kommenden vier Jahre vorstellten, nach einem Weiter-wie-bisher. Aber erstens bleibt ihnen in der Opposition nicht viel übrig. Zweitens sehe man sich in grüner Politik bestätigt. Und drittens scheint die mit 13 grünen zu 69 rot-schwarzen Abgeordneten immer noch kleine Opposition trainiert und motiviert, umso schärfer aufzutreten, desto beharrlicher die alt-neue Koalition an ihren Sanierungsversprechen festhält.

„Neidlos anerkennen“ müsse man, wie „Henning Scherf als Person überzeugt hat“, so die wiedergewählte Fraktionsvorsitzende und neue Vorsitzende des Haushalts- und Finanzausschusses Karoline Linnert, „wir werden uns in Zukunft mehr damit auseinandersetzen, für welchen Politikstil Henning Scherf steht.“ Doch das „emotionale Bedürfnis der Menschen nach einer Vaterfigur heißt nicht, dass das automatisch zu den besten Lösungen führt.“ Die Wähler wünschten sich, so Linnert, „uns Grüne als starkes Korrektiv.“

Dass die Großprojekte nun einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden sollten, was die Grünen längst gefordert hätten, bedeute „einen politischen Sieg, aber leider ein bisschen zu spät“, sagte Linnert. Das Festhalten an 2005 als Datum für einen verfassungskonformen Haushalt sei „leider die Fortsetzung der Wählertäuschung des Wahlkampfs“. Linnert weiter: „Sollte ihnen das gelingen, dann nur mit einer ganzen Reihe buchhalterischer Tricks. Das lehnen die Grünen ab.“ Zwar sei Sparpolitik unverzichtbar, so die Grünen-Chefin angesichts der sich abzeichnenden weiteren Sparquote von fünf Prozent, „aber wir fürchten, dass Bremen kaputt gespart wird.“

Anja Stahmann, Nachfolgerin von Helga Trüpel als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und neue bildungspolitische Sprecherin der Partei, lieferte dazu ein Beispiel: Die stets angekündigte und dringend nötige Qualitätssteigerung im Kindergartenbereich sei mit dieser Sparquote nicht zu schaffen: „Ich frag‘ mich: Wo will man das denn hernehmen?“, sagte Stahmann.

Die Grünen versprachen konstruktive Kritik: „Wir haben bisher immer auch gesagt, wie man es besser machen kann“, betonte Linnert, das werde auch so bleiben. Und: „Wir werden hemmungslos beklaut. Aber je mehr von unseren Inhalten im Kurs der Regierung landen, desto mehr freuen wir uns.“ sgi