Atmosphäre übertüncht

Ambivalentes Geschichtsverständnis: Der „Freiraum“ des Museums für Kunst und Gewerbe präsentiert vier von einem Design-Büro gestaltete Gedenkstätten, die sich frappierend unterscheiden

von Petra Schellen

Gedenken als Design-Aufgabe – eine merkwürdiges Motto für eine Ausstellung, die Formen des Erinnerns reflektieren will. Vielleicht aber auch ein angemessener Ansatz für eine Schau wie die derzeit im „Freiraum“ des Museums für Kunst und Gewerbe laufende zum Thema „Gedenken gestalten“. Gestaltungsansätze eines einzigen Design-Büros sind dort zu sehen, anhand derer sich überprüfen lässt, wie weit die Gestalter ihrem Anspruch, die Würde des Orts zu wahren, gerecht werden. Denn man kann sich durchaus fragen, warum Gedenkstätten-Gestaltung nicht grundsätzlich Künstlern überlassen wird, den erfahrungsgemäß sensibleren Seismographen; spielen etwa Mitsprachewünsche der Betreiber eine Rolle?

Eine Lesart, die sich fast aufdrängt, betrachtet man die vier gewählten Beispiele: In Text, Entwurfszeichnung, Foto und Videodokumentation werden die Gedenkstätten „Münchner Platz“ in Dresden, „Bautzen II“, „Pirna Sonnenstein“ sowie das „Dokumentationszentrum Berliner Mauer“ vorgeführt – ein Prozedere, das weniger dröge ist, als es zunächst scheint. Denn tatsächlich offenbart die Gestaltung der Orte frappierende Unterschiede.

Da ist zum Beispiel die Dresdner Gedenkstätte „Münchner Platz“, eine Strafvollzugsanstalt, die von Nazis, später von sowjetischen Besatzern und DDR-Gerichten für Schauprozesse und Exekutionen genutzt wurde. Eine bronzene Figurengruppe erinnert an die Hinrichtungen. Im Inneren wurden beleuchtete Schrift-Bild-Tafeln unter ein Raster aus Rechtecken gelegt: mäßig erhellend, und auch die „Trauerrand“-Assoziation erschöpft sich bald. Eine merkwürdig zurückhaltend-versachlichende Präsentation, bedenkt man, dass sich drei aufeinander folgende Diktaturen dieses Ortes bedienten.

Eigenartig ambivalent auch der Umgang mit der Euthanasie-Vergangenheit der psychiatrischen Anstalt im sächsischen Pirna-Sonnenstein: Vor dem Zweiten Weltkrieg sei dies eine ausdrücklich auf Heilung bedachte Einrichtung gewesen, betont der Begleittext eine Spur zu laut; kaum verhohlen der für die Ex-DDR charakteristische Abgrenzungsduktus vom Nationalsozialismus, der offiziell ausschließlich dem Westen zugeordnet wurde.

Entsprechend distanziert gibt sich die Präsentation: Mit freundlich-hellem Holzboden unterlegt, kommt das von den Nazis als Männerkrankenhaus genutzte Obergeschoss daher; sonnenhell beleuchtete Tafeln mit Texten und Fotos laden zum Verweilen ein. Einzig im Keller, in dem die Nazis Gaskammer und Krematorium betrieben, haben die Opfer ihre Würde wiederbekommen: Beispielhaft wurden hier 22 Fotos auf stählerne Stangen gesetzt. Eine befremdliche Diskrepanz zum Obergeschoss, in dem die Fotos der Opfer zum adrett ins Mobiliar hineindesignten Ästhetikum verkommen.

Ambivalent wirkt auch das „Dokumentationszentrum Berliner Mauer“: Ein sichtbar auf 70er-„Kalter Krieg“-Jahre gebürstetes Mobiliar findet sich im dokumentarischen, betont sachlichen „Hör-Archiv“, das zu harmlos wirkt, um „Abhör“-Assoziationen zu wecken. Im Ausstellungsraum wartet dann eine umso eindringlichere Präsentation: Drahtseile wurden vertikal durch den Raum gespannt – Assoziation „Mauerbau“. In stählernen Kästen hängen Panzer-Fotos: Deutlicher pädagogisch kann Museumsgestaltung nicht sein. Ist diese abermalige Diskrepanz Indiz für eine grundlegende Unausgegorenheit, was die Bewertung der gewalttätigen Facetten des DDR-Sozialismus betrifft? Liegt der Kontrast zwischen lauwarmer Archiv- und knallharter Dauerausstellungs-Gestaltung darin begründet, dass über die Unmenschlichkeit des Mauerbaus Konsens herrscht, wohingegen Stasi-Thematik und die fortdauernde Spaltung der ostdeutschen Gesellschaft noch lange nicht ausdiskutiert sind? Oder ist solche Ambivalenz authentisches Zeichen zu großer zeitlicher Nähe, ist ein quasi-Gegenwarts-Museum zwangläufig immer ein bisschen amphib?

Und wenn sich auch nicht sicher sagen lässt, dass politische Unentschlossenheit hier Ursache für stark divergierende Gestaltung war, zeigt doch die Gedenkstätte „Bautzen II“, wo erst Nazis, später DDR-Autoritäten politische Missliebige festhielten, eine kaum zu übertreffende Direktheit: Fast authentisch haben die Designer hier Isolations-Zellen belassen, haben dem vergitterten Treppenaufgang nichts hinzugefügt und so echte Imagination möglich gemacht. Zerfetzte Tapete klebt im ehemaligen Kontrollraum: Tapete war nicht zu bekommen damals, aber Abhör-Technik funktionierte, sagt dieses Zimmer.

Gedenken als gestalterische Aufgabe? Unterschiedlich gelungen, weil die Gestalter oft der Atmosphäre des Ortes nicht getraut und den Räumen etliches hinzugefügt haben, anstatt es bei ausgewählten, Vorstellungskraft initiierenden Informationen zu belassen.

Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe, bis 29.4.