kuckensema: auf bremens leinwand
: Auf dem Yugotrip: Atlantis und Schauburg zeigen bosnische Filme

Es ist eines der jüngsten Länder und hatte eine brutale, blutige Geburt. 1992 wurde die staatliche Unabhängigkeit Bosnien-Herzegowinas erklärt. Danach kam es zu jahrelangen kriegerischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien. Um so erstaunlicher ist es, dass schon währenddessen in Bosnien-Herzegowina gefilmt und in Sarajewo ein internationales Kino-Festival gegründet wurden. Man hatte dort offensichtlich erkannt, wie wichtig es ist, die Macht über die Bilder nicht den anderen zu überlassen.

Dies ist auch eines der Themen von Danis Tanovics Oscar-prämiertem No Man’s Land“, der Bosnien-Herzegowina 2001 als Filmland international bekannt machte. In der tragikomischen Satire über einen serbischen und einen kroatischen Soldaten, die sich im gleichen Schützengraben wiederfinden, gibt es auch die Reporterin eines US-Kabelsenders, die dafür sorgt, dass „die ganze Welt zusieht“ und dadurch die Situation noch absurder macht.

No man’s land darf natürlich in einer Reihe mit Filmen aus Bosnien-Herzegowina nicht fehlen. Kurioserweise gibt es in dem gestern vom Botschafer Nedeljko Despotovic in der Schauburg eröffneten Programm auch zwei Filme, die älter sind als ihr Ursprungsland. Die Regisseure sehen nämlich die Ursprünge der nationalen Kinogeschichte in den jugoslawischen Partisanenfilmen der 50er-Jahre. Ein Nachklang dieser Heldenepen ist Hajrudin Krvavacs 1972 entstandener Einer ist Sarajewo, der davon erzählt, wie die Nazis durch Widerstandskämpfer aus Sarajewo vertrieben wurden.

Natürlich war der Krieg im eigenen Land für die ersten Jahre das Hauptthema der bosnisch-herzegowenischen Filme. Einige Regisseure schlossen sich in den frühen 90ern zur „Sarajewo Group of Authors“ zusammen und drehten 1993 Man, God, the Monster, einen halbdokumentarischen Episodenfilm. Unter anderem erzählt er von einer Gruppe Schauspieler, die im Granatenhagel von Sarajewo Becketts Warten auf Godot probten. In den neueren Arbeiten versuchen sich die Regisseure mittlerweile aber auch an anderen Themen. So ist Faruk Sokolovics Milky Way eine surreale Komödie über die Schwierigkeiten eines bosnischen und eines kroatischen Ehepaars, die beide nach Neuseeland auswandern wollen. Summer in the Golden Valley von Srdan Vuletic schließlich ist nichts weiter als ein Krimi – und damit ein Zeichen von willkommener Normalität. Aber wenn man etwas von den Befindlichkeiten der jungen, in dieser Region aufgewachsenen Menschen erfahren will, sollte man sich besser Yugotrip von Naday Derado ansehen. Der ist zwar in Deutschland produziert und gedreht, zeigt aber dafür um so authentischer, wie junge aus Bosnien geflohene Menschen mit ihren verschiedenen Traumata und den sie heimsuchenden Dämonen des Krieges kämpfen. Ein intensives Drama mit düsteren Untertönen das zeigt, wie schwer es ist, in den Nachwehen eines Krieges die Grenzen zwischen Opfern und Tätern zu ziehen. Wilfried Hippen

Programm-Infos in der gestrigen Kino-taz und unter www.bremerfilmkunsttheater.de