Working Class Mittelschichten

Schülerjobs sind vor allem unter Oberschichtkindern verbreitet, hat das DIW ermittelt. Kinder aus ärmeren Familien haben weniger Beziehungen und damit weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt

VON ANNA LEHMANN

Felicitas ist ein Mittelschichtkind. Der Vater ist selbstständiger Unternehmer, sie besucht die neunte Klasse des Gymnasiums, geht einmal in der Woche zum Gitarrenunterricht und kann sich in ein eigenes Zimmer mit separatem Telefon zurückziehen. In den Ferien jobbt sie in der Firma von Papa für 5 Euro die Stunde. Das Geld gibt sie aus für Klamotten und um zu verreisen.

Felicitas passt ins Muster. „Je besser die Herkunft, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder arbeiten gehen“, hat Thorsten Schneider vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin herausgefunden.

Von 2000 bis 2003 hat das DIW Daten von mehr als tausend 17-Jährigen gesammelt. Vierzig Prozent von ihnen haben angegeben, schon einmal gejobbt zu haben. Fast die Hälfte kam aus einkommensstarken Familien, aber nur 30 Prozent aus ärmeren Schichten. Die Begründung ist einfach: „Die Jobs werden über Netzwerke vergeben. Wenn die Eltern gut verdienen, kennen sie andere Besserverdienende und potenzielle Arbeitgeber“, erläutert Schneider.

Ein klassisches Beispiel für diese These ist das „Babysitting“. Zwei Mitschülerinnen von Felicitas bessern ihr Taschengeld damit auf, gelegentlich die Kinder der Nachbarn zu betreuen. In den so genannten sozialen Brennpunkten ist es sehr viel unwahrscheinlicher, neben zahlungskräftigen Eltern zu wohnen, die öfter ausgehen. „Kinder aus Migrantenfamilien haben eine halb so hohe Wahrscheinlichkeit, einen Neben- oder Ferienjob zu finden“, sagt Schneider. Und diese sind begehrt. „Es gibt wesentlich mehr Schüler, die arbeiten wollen, als jene, die tatsächlich arbeiten.“ Ab 15 Jahren dürfen Jugendliche in den Ferien arbeiten, und einmal wöchentlich Zeitungen auszutragen und andere „leichte Tätigkeiten“ sind schon ab 13 Jahren gestattet.

Die soziale Herkunft bestimmt auch, welcher Art von bezahlter Arbeit die Teenager nachgehen. Der Soziologin Beatrice Hungerland ist bei Befragungen von Kindern zwischen 9 und 15 Jahren aufgefallen, dass die begehrten Jobs bei Film und Fernsehen vor allem an Kinder aus Mittelschichtfamilien gehen. „Das könnte damit zusammenhängen, dass die Kinder hingebracht und abgeholt werden müssen“, mutmaßt die Mitarbeiterin der Technischen Universität.

Dagegen wären Ärmere öfter als Zeitungsausträger beschäftigt. Konrad ist ein moderner Zeitungsjunge. Sie sind zu fünft zu Hause, die Mutter war lange arbeitslos und manchmal „kracht“ es. Seit einem Jahr verteilt der Realschüler Gratisblättchen. Die 55 Euro im Monat sind sein Taschengeld. Er ist stolz auf die Eigenleistung. „Mit meiner Mutter habe ich ausgemacht, dass sie mir kein Taschengeld mehr zahlen braucht.“ Jetzt spart er für einen Computer.

Ob arm, ob reich, nahezu alle jobben, weil sie Geld verdienen wollen, stellt Schneider fest. Geld bedeutet Teilhabe, Prestige und Unabhängigkeit. „Die fanden das schon lustig in meiner Klasse, als sie gemerkt haben, was ich mir für Sachen leisten konnte“, sagt Konrad lässig. Die 18-jährige Gymnasiastin Clara hat nach einem halben Jahr an der Supermarktkasse die Sachen gepackt und ist zu Hause ausgezogen. „Der Job geht an die Nerven“, und finanziell ist sie öfter am Limit als zu Zeiten, da sie noch zu Hause wohnte. Aber das sei es wert.