„Alles ist möglich“

Olaf Kölzig spielt seit 1989 für die Washington Capitals in der NHL. Bei der Eishockey-WM, die am Samstag in Tschechien beginnt, steht der 34-Jährige erstmals seit 1998 wieder im deutschen Tor

INTERVIEW CHRISTIANE MITATSELIS

taz: Herr Kölzig, wie schwer ist es für Sie, Ihre deutschen Mannschaftskameraden zu verstehen?

Olaf Kölzig: Es geht. Verstehen kann ich Deutsch ja ganz gut. Mit meinen Eltern habe ich als Kind zu Hause nur Deutsch gesprochen, später dann aber Englisch. Deutsch sprechen ist deshalb schwierig für mich. Aber hier, in der Nationalmannschaft, habe ich ja keine Wahl.

Sie verstehen auch das Bayrisch von Bundestrainer Hans Zach?

Ja, ja, auch das geht. Die Familie meines Vaters kommt aus Bayern.

Wie kommt es, dass Sie diesmal, bei der Weltmeisterschaft in Tschechien, für Deutschland spielen?

Ich wollte das auch schon in den letzten Jahren, aber es kam immer etwas dazwischen. Meistens war ich verletzt, und vor zwei Jahren erfuhr ich, dass mein Sohn autistisch ist. Das war ein großer Schock. Danach hatte ich alles, nur kein Eishockey im Kopf. Ich habe mich wieder gefangen. Seitdem ist Sport aber nicht mehr das Allerwichtigste in meinem Leben.

Die letzte Saison mit den Washington Capitals war nicht gerade ihre beste.

Für das ganze Team war es ein miserables Jahr. Von Anfang an ging alles schief. Wir hatten schon früh keine Chance mehr, in die Play-offs zu kommen. Die letzten zwei Monate habe ich deshalb nicht mehr unter Druck gespielt. So war es für mich eine große Chance, nach Europa zu kommen, die WM zu spielen und mich mit meinen Mannschaftskameraden für den World Cup of Hockey im August bereit zu machen.

Der World Cup, an dem alle NHL-Stars teilnehmen werden, ist also ihr Hauptmotiv? Hans Zach hatte angekündigt, dass er Sie nur für den World Cup nominiert, wenn Sie auch die WM spielen.

Es war einer der Gründe. Vor allem aber wollte ich den Spaß am Eishockey wieder finden. Das hat geklappt – schon nach einer Woche in Deutschland macht mir Eishockey wieder Spaß.

Wenn sich die Spielergewerkschaft und die Klubbesitzer nicht einigen, wird in diesem Jahr in der NHL gestreikt. Können Sie sich vorstellen, diese Zeit mit einem Engagement in Deutschland zu überbrücken?

Es sieht im Moment nicht gut aus, vielleicht wird in diesem Jahr nach den Play-offs in der NHL tatsächlich nicht mehr gespielt. Wenn es so kommen sollte, würde ich zu Hause bei meiner Familie bleiben und mich dort fit halten.

Sie haben das letzte Mal 1998 bei den Olympischen Spielen in Nagano für Deutschland gespielt. Wie hat sich das deutsche Eishockey seitdem entwickelt?

Oh, es hat sich definitiv verbessert. Das merken wir auch in der NHL. Da spielen inzwischen wirklich gute Deutsche wie Marco Sturm und Jochen Hecht. Die Scouts der NHL achten deshalb mehr als früher darauf, was in Deutschland geschieht. Deutsche Spieler bekommen so mehr Chancen, in der NHL zu spielen.

Interessieren Sie sich in den USA für die Deutsche Eishockey Liga?

Es ist sehr schwer, die Liga zu verfolgen. Kein Fernsehsender zeigt deutsche Spiele. Bevor ich zur Nationalmannschaft gereist bin, habe ich mich ein bisschen über das Internet informiert.

Sie wissen also, wer deutscher Meister geworden ist?

Ja, klar, Frankfurt. Ich habe mir das Finale mit der Mannschaft in Heilbronn im Fernsehen angeschaut. Es war ein sehr mitreißendes Eishockey-Spiel.

Haben Sie den Eindruck, dass sich das Niveau der DEL verbessert hat?

Ich glaube schon. Ich habe zwar in der Vergangenheit nicht viel gesehen, aber es gibt viele gute Spieler – Ausländer wie Deutsche. Es ist wirklich aufregendes Eishockey. Besonders auf dem großen Eis.

Wie schwer ist es für Sie als Torhüter, sich auf die größeren Eisflächen in Europa umzustellen?

Das ist schon ein bisschen ein Unterschied. Man kann nicht ganz so aggressiv spielen, man muss mehr auf die Deckung der Linie achten. Das muss man trainieren.

Hans Zach hat Sie zur Nummer eins im deutschen Tor gemacht. Wie sauer ist Robert Müller darüber?

Ich glaube nicht, dass er groß sauer ist. Er scheint damit ganz gut klarzukommen, er behandelt mich jedenfalls sehr gut. Mir ging es nicht darum, die Nummer eins zu sein. Ich wollte einfach nur ein Teil der Mannschaft sein und mich etablieren.

Welche Chancen hat die deutsche Mannschaft bei der WM?

Das Team ist optimistisch. Es sind hart arbeitende Jungs und die Stimmung ist sehr gut. Deutschland hat sich 2002 bei Olympia in Salt Lake City gut verkauft, auch letztes Jahr bei der WM in Finnland. Sie spielen ein gutes System – und sie sind gut gecoacht.

Also kommt Deutschland wie bei den letzten vier großen Turnieren auch diesmal bis ins Viertelfinale?

Vielleicht. Ich mag da aber keine Voraussagen treffen. Wenn Sie nicht zutreffen, steht man wie ein Idiot da.

Wie würden Sie das System der deutschen Mannschaft beschreiben? Wie unterscheidet es sich von dem, was Sie in der NHL spielen?

Wir spielen in Washington auch eine Art defensives System. Deutschland kann das sehr gut und konsequent spielen. Sie frustrieren die Gegner mit der Defensive. Das hat sich auch in der NHL herumgesprochen. Man sollte das als Kompliment verstehen.

Sie meinen, dass das deutsche Team seine technischen Mängel durch das gute System ausgleichen kann?

Ja, absolut. Man sieht das auch in der NHL. Mannschaften, die ein gutes System spielen, können technisch überlegene Teams schlagen. Und so können wir in Prag, wenn wir gut spielen, vielleicht auch die Tschechen frustrieren – mit all dem Druck, den sie im eigenen Land spüren werden. Vielleicht können wir ihnen sogar den Sieg stehlen.

Das glauben Sie wirklich?

Ich glaube, man muss so denken. Man muss immer optimistisch sein und an die Chance glauben. Auch wenn sie nur klein ist: Alles ist möglich.