ROBIN ALEXANDER aus Südafrika WHITE
: „Du musst es auf Socken tun!“

Ostern am Indischen Ozean: Alle haben Spaß, nur einer nicht. Und das bin leider ich. Ich bin katholisch

Austauschschüler: Unser Kolumnist arbeitet für zwei Monate als Reporter bei The Star in Johannesburg, Südafrika. Au Backe!

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche. Und der Indische Ozean sowieso. Dort mache ich meinen diesjährigen Osterspaziergang. Im Rahmen einer Dienstreise: Mit einem Reporter und einer Fotografin geht es von Johannesburg nach Durban, der Hauptstadt der Provinz KwaZulu/Natal. Hier gab es vor den letzten Parlamentswahlen noch bewaffnete Auseinandersetzungen, am Mittwoch wird wieder gewählt. Kommt es erneut zu Konflikten, gar Gewalt, sollen wir dabei sein. Ich bin vorbereitet: Sechs Filme in der Tasche, neue Batterie in der Kamera und ein Notizbuch auf Reserve eingepackt. Aber schon nach einer halben Stunde in Durban merke ich, dass ich das Wichtigste vergessen habe.

– „Was? Du hast keine Badehose mitgebracht?“, wundern sich die Kollegen. Wir gehen vom Flughafen erst mal direkt zum Strand. Zum Glück werden Deutschen im Ausland Übereifer, Eilfertigkeit und Strebertum nicht als Charakterfehler angekreidet, sondern als unvermeidliche, quasi nationale Schrulle schnell vergeben. Die Kollegen warten also und ich erwerbe bei einem fliegenden Händler eine Badehose für 15 Rand (1,80 Euro). Ein Schnäppchen. Dumm nur, dass es dieses Modell nur in Weiß gibt und der Stoff durchsichtig wird, sobald er mit Wasser in Berührung kommt.

Unser Terminplan sieht so aus: Donnerstag haben wir zwei Verabredungen im Landesinneren. Freitag eine. Samstag, Sonntag und Montag sind Osterferien. Dienstag machen wir unseren Bericht. Mittwoch ist die Wahl und wieder ein Feiertag. Weil leider keine Zeitung der Welt für eine Geschichte drei mal sechs Hotelübernachtungen zahlt, schlafen wir in einem Backpackers. Die dort versammelte, internationale Belegschaft von Weltreisenden und Nachwuchshippies hantiert mit eindrucksvollen bis furchteinflößenden Gerätschaften, die alle dem Inhalieren von Marihuana dienen. Pfeifen aus fünf Kulturkreisen quasi. Hier scheint man jedenfalls wild entschlossen, Ostern nicht ohne ein echtes spirituelles Erlebnis vorübergehen zu lassen. Alle hier haben Spaß. Bis Freitag, am frühen Abend. Dann hat einer keinen Spaß mehr. Das bin leider ich.

Ich bin katholisch, Spaß ohne Reue kann ich nicht ertragen, und am Karfreitag schon gar nicht. Also suche ich eine katholische Kirche. Das ist gar nicht so einfach hier. Durban ist indisch geprägt, also vor allem hinduistisch und muslimisch. Es gibt Frauen in Sari und welche in Kopftuch und Kneipen, in denen kein Alkohol ausgeschenkt wird. „Who would Gandhi have voted for?“, fragt der ANC in Durban auf seinen Wahlplakaten. „Osama bin Laden“, antworten Jugendliche, in meterdicken Sandbuchstaben am Strand. An der Strandpromenade renne ich in ein oktoberfestartiges Zelt, dass Hare-Krishna-Anhänger aufgebaut haben. Sie tragen in Durban die selben gelben Umhänge wie in jeder deutschen Fußgängerzone. Und hier wie dort sind sie definitiv eine schlechte Quelle, wenn es um den Standort der nächsten katholischen Kirche geht.– „Sing: Hare Krishna, Hare Krishna, Hare Krishna, Hare, Hare. Hare Rama, Hare Rama, Hare Rama, Rama, Rama. Hare Krishna, Hare Krishna, Hare Krishna, Hare Hare“, lädt mich eine gelbe Kutte im Zelt ein: „Das wiederholst du 32 Mal und du hast den ersten Schritt zur Meditation gemacht.“ – „Was soll das?“, frage ich.– „Sing den Namen Gottes und sei glücklich“, sagt der Gelbe.– „Dazu brauche ich keine Vorbereitung?“, frage ich skeptisch.– „Doch, du musst es auf Socken tun. Zieh deine Schuhe aus!“– „Nein, ich behalte meine Schuhe an.“– „Dann wirst du dich nicht besser fühlen, Freund.“

Da hat er leider Recht. Endlich finde ich eine katholische Kirche, umgeben von einem meterhohen Metallzaun, an dem in Südafrika handelsübliche Schilder hängen. Sie warnen Einbrecher, dass auf sie geschossen wird: „ARMED RESPONSE, 24 HOURS“. Bei dieser frohen Botschaft am Zaun erspare ich mir das Evangelium drinnen.

Im Swimmingpool unserer Herberge treffe ich meine Kollegen wieder. Die Fotografin hat den ganzen Tag Durbans schöne Surfer geknipst, der Reporter hat einen Artikel geschrieben, den die Zeitung niemals drucken wird. Die beiden sehen sehr glücklich aus.– „Aber …“, frage ich, ohne eine bewaffnete Antwort fürchten zu müssen, „ … kann man Gott nahe sein, wenn man mit einer Dose Bier in der Hand in einer durchsichtigen Badehose im Swimminpool sitzt?“– „Na ja“, sagt die Fotografin, „jedenfalls hast du keine Schuhe an.“

Was heißt Hare? kolumne@taz.de Morgen: Matthias Urbachs PERFEKTER KAUF