SCHARON TREIBT ARAFAT IN DIE ENGE – DAS VERSCHÄRFT DEN KONFLIKT
: Überlebenskünstler ohne Strategie

Die Angst geht um in der Mukata, dem Hauptquartier des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat in Ramallah, die Angst vor Ariel Scharon. Das hat die Ermordung des Hamas-Führers Rantisi in der letzten Woche gezeigt. Die militärische Eskalation des israelisch-palästinensischen Konflikts, die Scharon mit vermeintlicher oder tatsächlicher Rückendeckung Washingtons betreibt, wird vor Arafats Ruine in Ramallah nicht Halt machen. Der Schulterschluss zwischen Bush und Scharon hat Arafats Spielraum stark eingeschränkt und ihn zum Nachgeben gezwungen. Wenn er nicht selbst ins Visier der Apache-Kanonen seines Erzfeindes geraten wollte, musste der Präsident handeln.

Die persönliche Ausweisung von 21 führenden Mitgliedern der Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden aus der Mukata dürfte Arafat jedoch arg zugesetzt haben. Nicht zuletzt, weil der Pistolen tragende Revolutionär selbst nur allzu gerne als Übervater aller kämpfenden palästinensischen Truppen posierte, in alten PLO-Zeiten ebenso wie in den Jahren der Autonomiebehörde. Das ohnehin beschädigte Image von Abu Ammar, so Arafats Pseudonym, dürfte neue Risse bekommen. In den Augen der Brigaden grenzt das Nachgeben gegenüber Scharon an Verrat. Die jetzt für Israel zum Freiwild gewordenen Kämpfer werden um des eigenen Überlebens willen die Nähe und den Schutz von Hamas und Dschihad suchen und gewiss mit offenen Armen empfangen werden. Die Popularitätskurve des alten Manns in der Mukata dürfte dagegen weiter nach unten zeigen.

Doch der politische Überlebenskünstler und Machtmensch Arafat bereitet längst einen neuen Coup vor. Er will das ihm von den USA aufgezwungene Amt des Ministerpräsidenten der Autonomiebehörde wieder abschaffen, quasi als unilaterale Antwort auf den Unilateralismus von Bush und Scharon. Arafat wäre eine lästige innerpalästinensische Konkurrenzinstitution los – und endlich wieder alleiniger Herr im demolierten Hause Palästina. Die Qualität dieser Retourkutsche gleicht freilich eher einem politischen Offenbarungseid als einer strategischen Antwort. GEORG BALTISSEN