Kopf-an-Kopf-Rennen um die Hofburg

Am Sonntag wählen die Österreicher einen Bundespräsidenten. Mit Heinz Fischer und Benita Ferrero-Waldner schicken nur die SPÖ und die ÖVP Kandidaten ins Rennen. Eine Niederlage der Außenministerin wäre ein schwerer Schlag für die Regierung

AUS WIEN RALF LEONHARD

Wird Österreich mit Benita Ferrero-Waldner erstmals eine Frau als Bundespräsident haben, oder bleibt das Amt bei Heinz Fischer in Männerhand? Bekommt das Land eine Reisepräsidentin oder einen Staatsnotar? Zieht in die Hofburg eine Diplomatin ein oder ein Verfassungsrechtler?

Vordergründig sind das die Alternativen, wenn die WählerInnen am kommenden Sonntag zur Urne schreiten. Es handelt sich um eine klassische Persönlichkeitswahl. Vom Bundespräsidenten erwartet man Überparteilichkeit. Dennoch fiebern die Parteizentralen der Entscheidung nervös entgegen. Für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, dessen ÖVP zuletzt in mehreren Lokalwahlen geprügelt wurde, wäre die Niederlage seiner Kandidatin ein schwerer Dämpfer. Die zuletzt erfolgsverwöhnte SPÖ unter Alfred Gusenbauer könnte einen Sieg von Fischer auch als Votum gegen die Spar- und politische Umfärbungspolitik der Regierung vermarkten.

Laut jüngsten Prognosen liefern sich die beiden ein Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem der Sozialdemokrat die Nase leicht vorn hat. Heinz Fischer hat als Nationalratspräsident selbst von seinen Gegnern Applaus für seine überparteiliche Amtsführung bekommen. Dem SPÖ-Obmann-Stellvertreter wird aber vorgeworfen, er äußere sich oft mit übertriebener Vorsicht. Letzten Dienstag fand er klare Worte bei einem Hearing vor der FPÖ. Er bekannte sich zu seiner Haltung der Abgrenzung gegenüber den Freiheitlichen und vor allem Jörg Haider. Das trug ihm zwar Schmährufe aus den Reihen der Parteifunktionäre ein, festigte aber seinen Ruf als Mann mit Charakter. Haiders Lob der Beschäftigungspolitik im Dritten Reich und andere NS-Nostalgie von FPÖ-Funktionären sei für ihn inakzeptabel.

Benita Ferrero-Waldner hatte sich eine Woche vorher viel verbindlicher gegeben. Obwohl die FPÖ keine Wahlempfehlung abgibt, hatte sich danach eine Plattform von FPÖ-Frauen „für Benita“ gebildet. Fischer kam dafür bei den Grünen besser an. Parteichef Alexander Van der Bellen zeigte sich über den Auftritt erfreut: „Es gehört auch zu den Aufgaben des Bundespräsidenten, Versuchen der Geschichtsfälschung entgegenzutreten.“

Obwohl der Bundespräsident vom Volk gewählt wird und für beide Parteien viel auf dem Spiel steht, blieb der Wahlkampf blass. Es treten nur zwei Kandidaten an, und beide sind qualifiziert. Bunte Vögel, wie der Betreiber einer Sex-Hotline, konnten nicht die notwendigen Unterstützungserklärungen beibringen. FPÖ und Grüne verzichteten mangels Chancen auf Kandidaten. Das Rennen entscheidet sich also im ersten Wahlgang.

Ferrero-Waldner, die mit dem Manko kämpft, dass sie als Marionette von Wolfgang Schüssel betrachtet wird, hatte einen deutlichen Rückstand aufzuholen und führte daher den aktiveren Wahlkampf. Die Nato-Befürworterin tritt jetzt auch für die Neutralität ein und nützt jeden Kontakt mit Staatsgästen für telegene Inszenierungen. Ein Fairnessabkommen setzt der Materialschlacht finanzielle Grenzen und verbietet unsachliche Propaganda. Das hinderte aber vor allem die Entourage der Außenministerin nicht, diverse Schmutzkübel einzusetzen. Da stellte die Junge ÖVP infame Bilder ins Internet, und der rechte Cartellverband schaltete eine Anzeige mit einem angeblichen Zitat des einstigen SPÖ-Kanzlers Bruno Kreisky, der Fischer eine große Zukunft prophezeit habe. Immer wenn Kontroversen anstünden, befinde er sich auf dem Klo.

Die einzige TV-Konfrontation am vergangenen Donnerstag lieferte wenig Entscheidungshilfe. Wer erwartete, dass die in Sachfragen wenig sattelfeste Außenministerin straucheln würde, wurde enttäuscht. Sie verwies auf ihre außenpolitische Erfahrung und wollte den Eindruck vermitteln, sie habe die Periode der Eiszeit zwischen den EU-Staaten und der Koalitionsregierung mit der FPÖ im Alleingang durch beharrliches Lächeln weggeschmolzen.

Fischer konterte gegen den Vorwurf seiner Komplizenschaft mit den unfreundlichen Nachbarn, das Tauwetter habe nach seinem Besuch beim portugiesischen Präsidenten eingesetzt. Weiteren Diskussionen mit Fischer wich Ferrero-Waldner aus.

In einem ereignislosen und an inhaltlichen Debatten armen Wahlkampf werden Fragen wie die des Geschlechts in den Vordergrund gespielt – vor allem von der ÖVP. Vertreterinnen der Frauenbewegung und Politveteraninnen engagieren sich aber mehrheitlich für Heinz Fischer. Dieser kann in der Frauen-Förderung viel Konkreteres vorweisen, als seine Rivalin. Ferrero-Waldner kommt schnell in Verlegenheit, wenn ihre Verdienste um die Sache der Frau ins Spiel kommen. Unter ihr gibt es trotz qualifizierter Kandidatinnen keine Abteilungsleiterin. Pikant auch die Homepage des Leiters von Ferreros Jugendkampagne „Benita 4 president“. Dort wird mit schlüpfrigen Blondinenwitzen Frohsinn verbreitet.