Der Streit ist lange nicht vorbei

Zankapfel Internationaler Strafgerichtshof: Die US-Regierung und die Europäische Union verstärken ihren Druck auf die EU-Beitrittsländer

BERLIN taz ■ Ein Teil des Streits mit den USA über den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) dürfte nach der heute erwarteten Entscheidung des Weltsicherheitsrats über die Verlängerung der Resolution 1422 vorübergehend erledigt sein. Doch auf anderer Ebene tobt der Konflikt heftig weiter.

Am 1. Juli läuft die von den USA in ihrem „American Service Members Protection Act“ (Aspa) gesetzte Frist aus, bis zu der Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs bilaterale Abkommen mit den USA unterzeichnen sollen. Solche Abkommen sollen US-Bürger in diesen Staaten in jedem Falle vor der Auslieferung an den IStGH schützen. Andernfalls wird diesen Staaten alle US-Militärhilfe gestrichen, außer es handelt sich um Nato-Partner oder sonstige extrem wichtige Alliierte.

Auf der Homepage der US-Botschaft in Kroatien liest sich das in einem Essay des Botschafters Lawrence G. Rossin dann so: „Da Kroatien weder ein Mitglied der Nato ist noch ein ausgewiesen wichtiger Nicht-Nato-Verbündeter, könnte es bis zu 19 Millionen Dollar in militärischer Ausrüstung und Ausbildung verlieren, wenn es nicht bis zum 1. Juli 2003 einen Vertrag nach Artikel 98 unterzeichnet.“

Der Botschafter betont im gleichen Text, es gehe freilich nicht darum, Kroatien zu erpressen oder es gar vor eine Wahl zwischen USA und EU zu stellen. Auch sei es durchaus kein Widerspruch, dass die USA von Kroatien die volle Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal forderten, für die eigenen Soldaten aber Immunität vor der Strafverfolgung des IStGH anstrebten – das sei schließlich etwas ganz anderes.

Das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der Europäischen Union seinerseits hat am Freitag vergangener Woche den Ball aufgenommen und neue allgemeine Richtlinien für den Umgang mit dem Strafgerichtshof verabschiedet. Nicht nur unterstützt die EU weiterhin – wie auch bisher – den IStGH, sie macht auch ihrerseits Druck auf die Beitrittskandidaten, keine bilateralen Abkommen mit den USA unter Berufung auf Artikel 98 des Rom-Statuts zu schließen.

Dieser Artikel des vor fast genau fünf Jahren verabschiedeten Statuts zum IStGH sieht mögliche Ausnahmen bei den Auslieferungsverpflichtungen eines Vertragsstaates an den IStGH vor, wenn dem völkerrechtlich verbindliche Verträge mit anderen Staaten entgegenstehen. Genau das versuchen die USA von immer mehr Ländern zu erreichen – bislang haben knapp über 30 Staaten solche bilateralen Verträge unterschrieben. Ratifiziert sind sie jedoch erst durch eine Hand voll.

Die US-Regierung hat auf die neuen EU-Richtlinien prompt reagiert: In einem Brief an die EU-Regierungen warnt die US-Regierung laut einem Bericht in der Washington Post, die jüngst erreichte Entspannung im Verhältnis der USA zu Deutschland, Frankreich und anderen Staaten könnte zunichte gemacht werden, wenn die EU weiterhin die US-Bemühungen um bilaterale Verträge aktiv hintertreibe.

BERND PICKERT