: Auch Lebensversicherung vor Tod nicht gefeit
Mit der Mannheimer Versicherung stehen die Assekuranzen vor ihrer ersten großen Pleite. Wert der Kapitalanlagen sank um 100 Milliarden Euro. Börsenbaisse, sinkende Zinsen und Immobilienpreise schwächen die gesamte Branche
HAMBURG taz ■ Eine der traditionell profitabelsten Branchen steht vor ihrer ersten Pleite, weil der Mannheimer Versicherung nach 124 Jahren das Aus droht. In Sorge sind rund 350.000 Kunden allein in der Lebensversicherung. Das Bundesaufsichtsamt BAFin macht wenig Hoffnung.
Nach dem ersten Quartal fehlten der Holding 63,6 Millionen Euro vor allem in der Lebensversicherung. Zudem gilt die Situation bei den Kapitalanlagen der Mannheimer als „sehr problematisch“, meldet der Branchendienst Versicherungsjournal. Mittlerweile sollen sich die stillen Lasten auf 230 Millionen Euro addiert haben. Das sind außerordentliche Verluste, die nur deshalb in der Bilanz der Mannheimer kaum zu entdecken sind, weil die Bundesregierung es der angeschlagenen Assekuranz 2002 erlaubte, Kursverluste von Wertpapieren zeitweilig aus der Buchhaltung rauszunehmen.
Zu dem Niedergang trugen allerdings nicht allein Fehler des Vorstands der Mannheimer bei, der zu spät auf den Aktien-Zug aufgesprungen und zu spät wieder abgesprungen war. Auch die Konkurrenz stöhnt heute über die seit März 2000 anhaltende Börsenbaisse, über immer niedrigere Zinssätze und eine desolate Lage auf dem Immobilienmarkt. Der Wert der Kapitalanlagen, mit denen Gesellschaften in der Vergangenheit oft genug ihre Verluste im eigentlichen Versicherungsgeschäft ausgeglichen hatten, sank in den vergangenen drei Jahren um mehr als hundert Milliarden Euro.
„Die Versicherer traf ein Keulenschlag“, klagte BAFin-Chef Jochen Sanioam Dienstag auf der Jahrespressekonferenz der neuen Allfinanzaufsicht. Insolvenzen werden nicht mehr ausgeschlossen. Auch zum Rettungsplan der Mannheimer hat Sanio „kritische Fragen“. Die Versicherung kontert: „Wir warten“ – seit fast einem Monat brütet das Amt über dem Rettungsplan der Mannheimer. Lehnt das BAFin ab, ist der Gang zum Insolvenzgericht kaum noch zu stoppen. Der Plan des Managements hat bisher auch die beiden Großaktionäre, die österreichische Uniqa-Versicherung und die Münchener Rück, nicht überzeugt.
Die Kunden zahlen die Zeche. Zwar war die frühere Sonnenschein-Branche im Herbst endlich bereit, einer alten Forderung von Experten nachzukommen und mit „Protector“ eine Auffanggesellschaft für in Not geratene Versicherungen zu gründen, aber trotzdem dürfte die Rendite von hunderttausenden Lebensversicherungsverträgen abstürzen. Sicher ist nur der Garantiezins – und der liegt auf Sparbuch-Niveau.
HERMANNUS PFEIFFER