Langsamer Abschied von Agrarhilfen

Nach harten Verhandlungen haben sich die EU-Agrarminister auf einen Kurswechsel bei milliardenschweren Subventionen geeinigt: Sie kappen die Anreize für den Anbau von Baumwolle, Oliven und Tabak. Die meisten Pflanzer werden aufgeben

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Bei den so genannten Mittelmeerprodukten Baumwolle, Olivenöl und Tabak haben die EU-Agrarminister am frühen Donnerstagmorgen die Weichen neu gestellt. Von 2006 an sollen nur noch 40 Prozent der Subventionen für Olivenöl und 35 Prozent der EU-Mittel für Baumwolle abhängig von der Produktionsmenge gezahlt werden. Den Rest erhalten die Bauern auch dann, wenn sie gar nichts produzieren oder andere Produkte anbauen.

Diejenigen Mittelmeerregionen, in denen in den vergangenen Jahren durch die Bewässerung zu vieler junger Ölbäume der Grundwasserspiegel sank, könnten mittelfristig zu einem ökologischen Gleichgewicht zurückfinden. Mehr Chancengleichheit bei der Baumwollproduktion kommt den Forderungen der Produzenten außerhalb der EU entgegen und verbessert Europas moralische Position bei den WTO-Verhandlungen.

Eine Sonderrolle wird in Zukunft auch der Tabakanbau einnehmen. Knapp eine Milliarde Euro Unterstützung fließen derzeit in die Taschen europäischer Tabakpflanzer – wer viel anbaut, bekommt auch viel Geld aus Brüssel. Auch hier soll die so genannte Entkoppelung der Prämien von der Produktionsmenge 2006 beginnen. Zunächst werden auch hier nur 40 Prozent unabhängig von der Erntemenge gezahlt. Ab 2010 wird die Hälfte des Tabaketats an die Bauern verteilt, egal ob sie Tabak produzieren oder nicht. Die andere Hälfte fließt dann in Umschulungsmaßnahmen und andere Entwicklungsprogramme des ländlichen Raums.

„Damit ist der Tabakanbau in Europa 2010 so gut wie zu Ende“, prophezeit die deutsche Agrarministerin Renate Künast (Grüne) gegenüber der taz. Da 80 Prozent der Tabakpflanzer zu kleine Betriebe hätten, um auf dem Weltmarkt bestehen zu können, falle für sie ohne Subventionen jeder Anreiz zur Produktion weg. Kürzere Übergangsfristen und mehr Entkoppelung bei Baumwolle und Olivenöl sei angesichts der Interessengegensätze im Rat nicht zu erreichen gewesen.

„Griechenland und Spanien wird in ihren Beitrittsverträgen garantiert, dass sie innerhalb der EU kostendeckend Baumwolle produzieren können“, erinnerte Künast. 65 Prozent Entkoppelung sei immerhin mehr als EU-Agrarkommissar Fischlers ursprünglicher Vorschlag von 60 Prozent. Um vier Uhr morgens habe Griechenland das Paket wieder aufschnüren wollen, der schwedische Agrarminister daraufhin mit Abreise gedroht. „Da bin ich ziemlich laut geworden, und das war wohl für alle ein Befreiungsschlag“.

Nur mit qualifizierter Mehrheit können im Agrarrat Beschlüsse gefasst werden. Da Spanien, Portugal, Griechenland und Italien von der Entkoppelung bei den Mittelmeerprodukten Nachteile befürchten, hing alles von Frankreichs Entscheidung ab. „Es ist ein Gerücht, dass bei Agrargesprächen zwischen Schröder und Chirac immer der Kanzler verliert“, glaubt die deutsche Agrarministerin. Im Januar bei den Feiern zum Élysée-Vertrag hätten sich die beiden verständigt, gemeinsam für eine Agrarwende einzutreten. „Die alten Beharrungskräfte, die nur die Bauernlobby im Blick haben, sind schwächer geworden.“

Natürlich tat auch die Gunst der Stunde einiges dazu, um verknöcherte Subventionsfreunde eines Besseren zu belehren. Ab 1. Mai müssen die Interessen von 25 Staaten austariert werden. Dann wird der polnische Landwirtschaftsminister eine stimmgewichtige Rolle im Agrarrat spielen. Seine Bauernlobby ist mindestens so mächtig, wie die französische es früher war – doch Baumwolle und Olivenöl sind den Bauern in Osteuropa herzlich egal.