nachgefragt
: Handwerkskammer jammert über „Agenda 2010“

Anlernen statt Ausbilden?

Auf die Herren Schröder und Clement ist Dieter Dasenbrook derzeit nicht gut zu sprechen: „Die Bundesregierung hat in ihren Gesetzentwürfen zur Änderung der Handwerksordnung vor, erfolgreiche und zukunftsfähige Strukturen im Handwerk zu zerschlagen“, wettert der Präses der Handwerkskammer Bremen. Die Zahl der Handwerksberufe, für deren selbstständige Ausübung bislang der Meisterbrief erforderlich ist, soll nach der Agenda 2010 von heute 94 auf 29 „gefahrengeneigte“ Berufe (wie etwa Elektriker) zusammengestrichen werden. Wegfallen soll der Meisterzwang zum Beispiel bei Friseuren, Malern und Bäckern. Gesellen können sich dann nach zehn Jahren im Beruf selbständig machen.

„Da wird die Qualität handwerklicher Arbeit und Ausbildung bewusst runtergefahren, um den Einstieg für Existenzgründer zu erleichtern“, schimpft der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Hans-Heinrich Meyer-Heye. Die Ausbildung drohe zu einem Anlernen zu verkommen. Firmengründern ohne Meisterbrief fehlten betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse: „Handwerkliche Qualifikation ist da, wirtschaftliche nicht“.

Überhaupt nichts hält das Bremer Handwerk auch von der angedrohten Ausbildungsplatzabgabe für nicht ausbildende Betriebe: Die würde „die Ausbildungsanstrengungen des bremischen Handwerks unterlaufen“ und führe zu mehr Bürokratie, sagt Dasenbrook. Nur knapp ein Drittel der etwa 3.600 bremischen Vollhandwerksbetriebe hat derzeit überhaupt Lehrlinge angestellt: 1.171 Betriebe bilden 3.584 junge Frauen und Männer aus.

Die Zahl neuer Ausbildungsverhältnisse in Stadt-Bremen nimmt sukzessive ab: Während von Januar bis Mitte Juni 2002 412 Lehrverträge unterschrieben wurden, waren es im Vergleichszeitraum 2003 nur noch 350 Verträge. „Ich halte die Ausbildungssituation für katastrophal“, sagt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Günther Dahlbeck.

In Bremerhaven ist die Situation noch dramatischer: „Wir haben dreimal so viele Lehrstellenbewerber wie Lehrstellen“, sagt Peter Keck von der Kreishandwerkerschaft Bremerhaven. In der Seestadt gebe es im Vergleich zum Vorjahr einen „Rückgang der betrieblichen Ausbildungsverhältnisse von 50 Prozent“. jox