der tod ist ein fallschirm aus münster von WIGLAF DROSTE
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Zu Pfingsten beklagte die Bundeswehr in Kabul vier tote und 29 verletzte deutsche Soldaten. Ihr Dienstherr Peter Struck kommentierte die Sache im Funk; Struck hört sich sogar durchs Radio an, als ob er Mundgeruch hat. Sogar noch unangenehmer ist, was er verschweigt: Verletzung und Tod sind bloß Berufsrisiken von Mitgliedern bewaffneter Bundesbanden, die sich da herumdrücken, wo sie nicht das Geringste zu suchen oder verloren haben. Vom „Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ war sogleich die Rede, und in Georg Gafrons schmierigem Margarineblatt B.Z. wurde „Trauer um unsere gefallenen Soldaten“ angeordnet. Der pathetische Jargon spricht für sich: Nur ein aggressives Deutschland, das jede Menge „Gefallene“ produziert, macht die Fetischisten des Nationalen richtig glücklich.

Top-Toter blieb dennoch der am Donnerstag vor Pfingsten hart gelandete Jürgen Möllemann. Sein letzter Sprung aus den Wolken wurde von vielen als konstruktiver Vorstoß zur Lösung politischer Ärgernisse empfunden, doch die deutlich fühlbare Erleichterung wurde mit aufgebügelter Pietät verhüllt. Wer erst mal an der eigenen Verlogenheit Gefallen fand, der lässt so leicht nicht mehr davon ab. Auch unsere Verschwörungstheoretiker kamen voll auf ihre Kosten und konnten ihre Mordphantasien und -szenarien durch die Gegend raunen. Der Propagandajournalist Jürgen Elsässer, nach eigener Einschätzung „Kriminalist (und Kommunist)“, orakelte sich einen Zweiteiler aus dem Kreuz, der mit einer Ankündigung endete. „In Kürze Teil III: Warum Möllemann für Kinkel und Co. gefährlich war“. Flüster, flüster, walle, walle.

All das erinnert an den Fall des Kieler CDU-Ministerpräsidenten und Ehrenwortlers Uwe Barschel, der 1987 tot in der Badewanne eines Genfer Hotels gefunden wurde. Was für ein Gehupe ging da los und was für ein Rumgeheuchle. Auch in der taz erhoben sich Dürers betende Hände. Zugunsten der Medienseite, deren Halbredakteur ich war, schrieb ich einen Text mit der Überschrift „Uwe Barschel mit gutem Beispiel voran“. In der Reproabteilung, in der argwöhnische liebe Kollegen nach der Seite fahndeten, kam es zum Tumult, vier gegen einen. Handgreiflichkeiten lagen in der Luft. „Rück die Seite raus!“, fuhr ein Kollege mich an, und dann brachte der militante Protestantismus sein schwersten Geschütz in Stellung: Die Stimme von Lady Tränengaserow zerschnitt meine Widerstandskraft. Die Formulierung „In der Badewanne war er Kapitän“ wurde, wie auch die eher freundliche Bezeichnung „Pfeife“, als „menschenverachtend und zynisch“ (muz) eingestuft und getilgt. Der Restartikel erschien dann unter der kryptischen Überschrift „Zum Beispiel Uwe Barschel“ – eine journalistische und ethische Großtat ganz sicher.

Heute wird Jürgen Möllemann begraben. Gerhard Henschel und ich brachten ihn schon vor drei Jahren um, in unserem Schundroman „Der Mullah von Bullerbü“. Da hatte Möllemann es viel schöner als im richtigen Leben und starb am Schandpfahl von Taka-Tuka-Land.