Im Clinch mit den Klischees

Heute kommt mit einer Auflage von 100.000 das erste kostenlose Lesbenmagazin auf den Markt. Ohne Diättipps, dafür aber mit „brigittigen“ Rubriken – unter gleichgeschlechtlichem Blickwinkel

von ANDREA BRÄU

Natürlich glauben wir nicht an Klischees, sind weltoffen, herzensgebildet und tolerant. Ein neues Lesbenmagazin? Entlockt uns ein tolerant-gelangweiltes „Aha“. Ach so, das erste kostenlose in Deutschland? Und überhaupt erst das zweite auf dem Markt? Nun ja. Hätte heterofrau nicht gedacht. Und hätte auch nicht gedacht, dass ihr bei der näheren Betrachtung von L-MAG Klischees durch den Kopf gehen, von deren Existenz sie bislang nichts wusste.

Das geht schon los bei der Größe: DIN A5, so wie wir das bei Magazinen wie Glamour kennen. Von denen sich ein Lesbenmagazin doch abgrenzen will, oder? „DIN A5 ist ein praktisches, modernes Format – und passt gut in jede Handtasche.“ Das hätte Manuela Kay, Chefredakteurin von L-MAG, jetzt besser nicht gesagt. Weil heterodame sich beim dämlichen Gedanken ertappt: Wie, die tragen Handtaschen?

Gar brigittig muten denn auch die Rubriken an: „Psycho“ (Thema Eifersucht), „Reise“ (Barcelona) oder „Horoskop“, und mit „Heim und Herd“ (Dänischer Rhabarberkuchen! Lecker!) hätte auch manche Lesbe nicht gerechnet. „Das sind Rubriken wie in vielen anderen Zeitschriften auch. Warum sollten die falsch sein?“ In Brigitte und Co. wären aber „selbst Kochrezepte sexualisiert, à la ‚Wie verwöhne ich ihn so richtig‘ “.

Jetzt soll sie mal so richtig verwöhnt werden. Rund zwei Millionen lesbische Frauen leben in Deutschland, schätzt Manuela Kay, und die wünschten sich ihre Themen unter lesbischem Blickwinkel. In der Psycho-Rubrik geht’s deshalb um Eifersucht speziell bei Lesben. Typische Frauenthemen, aber auf die lesbische Zielgruppe zugeschnitten. „Wir wenden uns an jung gebliebene Frauen, die souverän lesbisch sind.“

Schwer zu sagen, wie die sexuelle Orientierung eines Rhabarberkuchens aussieht. Aber die restlichen Texte in L-MAG befassen sich mit lesbischen Themen – klingt zunächst seltsam, aber Palette und Toleranz sind enorm. Lesbische Prominente wie die notorische Ulrike Folkerts oder Amélie Mauresmo werden porträtiert, aber auch Expornostar Dolly Buster: „Eine tolle Frau mit viel Ahnung von Sex, die mit uns offen über lesbische Liebe spricht“, sagt Kay. Außerdem geht es um Beruf, Lifestyle und Kultur – worunter einfach alles fallen kann: Lesbische Managerinnen ebenso wie das Popduo t.A.T.u. oder Bücher namens „Wenn Ally Frauen küsst“ oder „Die Mösenmafia“. Endlich, es wird schlüpfrig.

Allerdings nicht so, wie es manch einer erwarten würde, der schon mal einen Blick ins freizügige Schwulenmagazin Du & Ich geworfen hat, das genauso wie L-MAG vom Jackwerth Verlag produziert wird. Und auch mit dem größten europäischen schwullesbischen Stadtmagazin, der Siegessäule, ebenfalls von Jackwerth, hat L-MAG wenig gemeinsam. Kontaktanzeigen und Veranstaltungstipps fehlen, und: „Wir brauchen keene Titten fürs Cover!“

Gelungen ist die Mischung aus ernstem Bericht und Witz: „Meine Bohrmaschine und ich“, so lautet ein Artikel über Lesben und ihr Händchen für Technik. „Es geht wirklich um Bohrmaschinen“, beteuert die Chefredakteurin. Handtasche hin, Werkzeugkoffer her – spätestens jetzt wundert sich sogar Heterofrau, dass es in Deutschland bislang nur eine Zeitschrift für Lesben gibt. Dafür aber etliche Schwulenmagazine; überhaupt erscheinen homosexuelle Männer gesellschaftlich weitaus stärker akzeptiert und integriert als homosexuelle Frauen. „Die haben einfach früher begriffen, wie wichtig es ist, eine schwule Infrastruktur zu schaffen. Lesben liegen in ihrer gesellschaftlichen Emanzipation zwanzig Jahre zurück“, sagt Kay.

Die 39-Jährige arbeitet seit sieben Jahren als Redakteurin für die Siegessäule; die Szene kennt sie als Verfasserin und Herausgeberin von Büchern wie „Schöner kommen“ oder „Diese Liebe nehm ich mir“. Sie und ihr rund 30-köpfiges Team sind stolz, die erste Ausgabe von L-MAG kostenlos anbieten zu können. Ein Fragebogen soll helfen, künftige Leserinnen und ihre Interessen zu ermitteln. Das erste Lesbenmagazin liegt ab heute, pünktlich zum Hamburger CSD, in der Szene aus. Unbedingt empfehlenswert – schon weil L-MAG auf Diättipps verzichtet.