Ortsverein verlässt CDU

100 Ratinger Christdemokraten verlassen die Union. Parteirebellen maulen über Inkompetenz der CDU-Stadtregierung und gründen „Bürgerpartei“

Auch eine Frauenquote sei geplant. „Aber wir werden dabei auf Qualität achten, nicht auf das Geschlecht.“

VON MARTIN TEIGELER

In Ratingen zerlegt sich die regierende CDU selbst. Nach monatelangen parteiinternen Querelen will sich ein ganzer Ortsverband abspalten und eine neue „Bürgerpartei“ gründen. Rund 100 Christdemokraten hatten zuvor versucht, den Ratinger CDU-Bürgermeister Wolfgang Diedrich zu stürzen. Der CDU-dominierten Stadtverwaltung werfen sie Misswirtschaft und Inkompetenz vor. „Der Bürgermeister hat keine Ahnung, wie man eine Verwaltung führt“, sagt Lothar Diehl, Anführer der Rebellen. Er und seine Mitstreiter seien von der örtlichen CDU gemobbt worden. „Jetzt treten wir alle aus“, kündigt Diehl eine Kandidatur der neuen Protestpartei bei der Kommunalwahl am 26. September an.

Ratingen wird wie die meisten Städte am Niederrhein vom bürgerlichen Lager kontrolliert. Doch die CDU/FDP-Koalition in der 90.000-Einwohner-Kommune (Reklameslogan der Stadt: „Rheinisches Flair und bergische Wurzeln“) gilt als wenig professionelle Stadtregierung. So betrieb das konservativ-liberale Bündnis den Verkauf der Stadtwerke. Tausende Ratinger protestierten gegen den kommunalen Ausverkauf. Auch Lothar Diehl und sein CDU-Ortsverein Ratingen-Eggerscheidt machten mit beim Bürgerbegehren. „Wir sind nur ganz knapp gescheitert“, berichtet Noch-CDU-Mitglied Diehl von der damaligen Aktion gegen die eigene Partei. Beim Bürgerentscheid im Juni 2003 hatte eine große Wählermehrheit gegen einen Verkauf gestimmt, dennoch scheiterte die Initiative, weil das notwendige Quorum hauchdünn verfehlt wurde.

Trotzdem war der Widerstand des aufrührerischen Ortsverbands gegen die offizielle CDU-Linie erfolgreich. Wirtschaftsprüfer empfahlen der Stadt, dass sich ein Stadtwerke-Verkauf nicht lohne. CDU und FDP ließen das Vorhaben fallen. „Die Stadtwerke-Geschichte ist nur ein Beispiel für die Inkompetenz der Stadtspitze“, sagt Lothar Diehl. Der Unmut über das eigene Führungspersonal eskalierte Ende März auf der CDU-Hauptversammlung in Ratingen. Bei Kampfabstimmungen wurde sowohl der umstrittene Bürgermeister Wolfgang Diedrich als auch weitere CDU-Spitzenleute bestätigt. „Das waren klare Mehrheiten von rund 70 Prozent“, sagt der christdemokratische Stadtverbandschef Udo Schäckermann. Wenn bestimmte Parteimitglieder deshalb die CDU verlassen wollten, sei das ihre Entscheidung. „Damit muss man leben“, weint Schäckermann den Abtrünnigen keine Träne nach.

„Uns reicht es“, sagt Lothar Diehl und kündigt den geschlossenen CDU-Austritt von mindestens 100 konservativen Parteimitgliedern an. In wenigen Wochen wollen die Dissidenten eine neue Kommunalpartei gründen. Die „Bürgerpartei“ wolle „aufrichtige und bürgernahe Politik machen“ und werde in allen 25 Ratinger Stimmbezirken antreten. Der Mitte dieser Woche gefasste Trennungsbeschluss sei den Abweichlern nicht leicht gefallen, sagt Diehl. „Ich war zehn Jahre lang Ortsvereinsvorsitzender, wir haben die CDU-Eggerscheidt groß gemacht.“ Mit dem neuen Wahlbündnis wolle man sich vornehmlich an enttäuschte CDU-Wähler wenden. Auch eine Art Frauenquote sei geplant, berichtet Diehl stolz. „Aber wir werden dabei auf Qualität achten, nicht auf das Geschlecht.“

Der CDU-Landesverband will sich zu den Streitigkeiten in Ratingen nicht äußern. Eine Parteisprecherin zum drohenden Austritt von 100 CDU-Mitgliedern: „Das können wir verkraften, wir haben viel mehr Eintritte.“