Ein echter Kujau für 6.500 Euro

Für die gefälschten Hitler-Tagebücher zahlte der „Stern“ einst 9,3 Millionen Mark. Die angeblich letzte Kladde wurde gestern in Berlin versteigert. Dabei kam heraus: Im Gefängnis produzierte der Stuttgarter Kunstfälscher die Imitate gleich serienweise

AUS BERLIN BARBARA BOLLWAHN

Konrad Kujaus gefälschte Hitler-Tagebücher, mit denen der Stern 1983 den größten journalistischen Flop der Nachkriegsgeschichte gelandet hatte, sind immer noch ein guter Stoff für Geschäftemacher. Das Berliner Auktionshaus Jeschke, Greve & Hauff hat gestern als Los Nummer 2378 „das originale und authentische Tagebuch Adolf Hitlers, letzter Teil, begonnen am 15. April 1945“, meistbietend angeboten.

„56 linierte blütenweiße Blatt, davon 25 vom Führer unterschrieben“, hieß es im Katalog. Als Kostprobe aus der Feder des Führers wurde unter anderem Hitlers „letzte Verfügung“ zitiert: „Ich bestimme hiermit: Ich selbst und meine Gattin wählen, um der Schande des Gefängnis’ oder der Kapitulation zu entgehen, den Tod!“ Als Schätzpreis hatte das Auktionshaus 7.000 Euro festgesetzt. Der Stern hatte für sein Konvolut einst 9,3 Millionen Mark bezahlt.

Im Katalog schrieb das Auktionshaus weiter, die Handschrift stamme „aus derselben Quelle, aus der ein in Deutschland relativ bekanntes Wochen-Magazin vor einigen Jahren schöpfte“. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn das Tagebuch kommt zwar aus der Feder von Kujau. Aber es gehört, anders als das Auktionshaus suggeriert, nicht zu jenen 60 Tagebüchern, mit denen der Stern die deutsche Geschichtsschreibung nachhaltig beeinflussen wollte.

Auf Nachfrage sagte ein Mitarbeiter des Auktionshauses, dass Kujau den angebotenen Band während der Haft geschrieben habe, zu der er wegen seiner Fälschungen verurteilt wurde. „Als krönenden Abschluss sozusagen“, so der Mitarbeiter. Kujau war zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und nach drei Jahren wegen eines Kehlkopfleidens vorzeitig entlassen worden. Im September 2000 starb Kujau im Alter von 62 Jahren an Magenkrebs. Er hatte nicht nur Tagebücher gefälscht, sondern auch berühmte Gemälde nachgeahmt und den Chorleiter Gotthilf Fischer mittels eines gefälschten Stammbaums zum Mozart-Nachfahren erklärt.

Ein Anruf bei Kujaus Nichte, die in der Stuttgarter „Galerie Konrad Kujau“ unter anderem mit Werken des genialen Imitators handelt, fördert eine neue Fälschergeschichte zu Tage. Auch dreieinhalb Jahre nach seinem Tod schafft es Kujau offenbar, die Leute an der Nase herumzuführen. Ein Mitarbeiter der Stuttgarter Galerie berichtet, es gebe mehrere Ausgaben des angeblich letzten Hitler-Tagebuchs. Kujau habe sie allesamt im Gefängnis angefertigt – und auch damit Schabernack getrieben. „Er erzählte allen, denen er es verkaufte, es sei das einzige.“

Die Rechnung des Berliner Auktionshauses, mit den Namen Hitler und Kujau in die Schlagzeilen zu kommen, ist aufgegangen. Das Haus war gestern voller Journalisten. Nur das Interesse der Bieter hielt sich in Grenzen, es waren nicht mehr Leute als sonst im Saal. Begonnen wurde nicht wie angekündigt mit 7.000 Euro, sondern nur mit 5.000 Euro. Schon beim zweiten Gebot, 6.500 Euro, fand die Hitlerkladde einen neuen Besitzer. Ein Mitarbeiter des Auktionshauses hatte das Interesse schon zuvor eher gering eingeschätzt. „Wir wissen nicht, ob die Kranken heute Ausgang haben“, sagte er der taz. Für 1.100 Euro gingen gestern auch vier NS-Publikationen weg, die mit handschriftlichen Namenszügen von Hitler, Göring, Himmler und Goebbels signiert sind. Auch sie stammen von – Kujau.

Die echten Hitler-Fälschungen lagern zum größten Teil im Keller des Hamburger Verlagshauses Gruner + Jahr. Einige Bände sind im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen.