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Unter Strom

Zehn Jahre ambitionierter Arbeit: Das Hamburger Kammerensemble „ensemble Intégrales“ feiert mit seinem Jubiläumsprogramm „Electric Currents“

von SASCHA DEMAND

Das Hamburger ensemble Intégrales zählt heute zu den arriviertesten deutschen Ensembles für neue Kammermusik. Durch die beständige interpretatorische Leistung auf musikalisch hohem Niveau, gerade auch bei Uraufführungen, ist man mittlerweile auch international gefragt. Am heutigen Sonnabend feiert das ensemble Intégrales im Museum der Arbeit mit seinem Jubiläumsprogramm „Electric Currents“ das zehnjährige Bestehen.

1993 gründeten Barbara Lüneburg und Burkhart Friedrich das Ensemble mit dem Interesse, neueste Kammermusik für außergewöhnliche Besetzungen zu fördern. Es sollten insbesondere solche Stücke gefunden und behandelt werden, in denen die musikalische Syntax dergestalt in neue und unbekannte Zusammenhänge gestellt wird, dass sich eine eigene Musiksprache heraushören lässt.

Im Vordergrund stand von Anfang an die Idee, arrivierte wie weniger arrivierte Komponisten zu beauftragen, eigens für das ensemble Intégrales zu schreiben. Programmatisch geht es darum, Stücke entstehen zu lassen, die das herkömmliche musikalische Material in Frage stellen, um hierdurch möglicherweise zu anderen musikalischen Dimensionen vorzudringen.

Das aktuelle Jubiläumsprogramm besteht aus fünf Kompositionen, wiederum allesamt Auftragswerke, die Kammermusik mit Live-Elektronik verbinden beziehungsweise konfrontieren. Vorgestellt wird eine sehr heterogene Programmfolge, die einiges an Spannendem verspricht: Die Komposition „Glamous Sliper“ des Dubliners Donacha Dennehy für Violine, Altsaxophon und Perkussion verwendet neben Zuspielbändern auch liveelektronische Elemente. Das Stück bewegt sich grenzgängerisch zwischen Rock und Neuer Musik und versucht ganz bewusst, beider musikalische Repertoires zu irritieren.

„Körperklang“ von Marko Ciciliani (Amsterdam) ist ein raumakustisches Experiment für Viola, Altsaxophon, Klavier und Live-Elektronik, in dem das improvisatorische Ausgangsmaterial durch zwei direkte und zwei indirekte – im Nebenraum befindliche – Mikrophonabnahmen elektronisch modifiziert wird. Alle musikalischen Parameter sollen dabei durch Verwendung minimalistischer Module prozessual verdichtet, präzisiert und transformiert werden. Das ebenfalls minimalistische Stück „Chaoids“ des zyprischen Komponisten Yannis Kyriakides arbeitet vor allem mit Kontrasten musikalischer und technischer Abläufe, die sich gegenseitig teils subtil, teils krass kontakarieren.

Hinter Netochka Nezvanova verbirgt sich eine Gruppe von Komponistinnen, die ihre Identität nicht preisgeben wollen. Ihr Stück ist das meditativste im Jubiläumsprogramm. Hier versucht die Live-Elektronik, ein akustisches Verwirrspiel zu initiieren: Was ist was – die Klangquellen werden tendenziell ununterscheidbar.

ensemble-Gründer Burkhart Friedrich schließlich zeigt Ausschnitte aus seiner aktuellen musiktheatralischen Arbeit: no significant change/short cuts. Über ein quadrophones Lautsprechersystem werden darin die verschiedenen Bewusstseinsebenen der Protagonisten akustisch-virtuell zur Darstellung gebracht.

Sonnabend, 20 Uhr, Museum der Arbeit. www.ensemble-integrales.com

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