Auf Tanker-Jagd

Die Katastrophe droht täglich: Auf der dichtbefahrenen Kadetrinne in der Ostsee haben die meisten Öltanker nur eine Außenwand. Lotsenpflicht gibt es noch nicht. Aber Freiwillige, die aufpassen, dass der Crash nicht Realität wird. Wie Kerstin Haller

Von Mitternacht bis morgens um sechs. Kerstin Haller schluckte. Die Meeresbiologie-Studentin aus Ritterhude hatte die Nachtschicht erwischt. „Beim ersten Mal habe ich mich gefragt wie ich das durchhalten soll.“

Hallers Einsatzort ist die „Sunthorice“: ein ehemaliges Feuerschiff, von Greenpeace zum Beobachtungsboot umfunktioniert, das jetzt durch die Ostsee kreuzt. Genauer gesagt: durch die „Kadetrinne“, jene Meerenge zwischen Rostock-Warnemünde und der dänischen Insel Falster, durch die sich der Großteil des Schiffverkehrs auf der Ostsee zwängt.

Zusammen mit einem Lotsen schlägt sich die 20-jährige Studentin hier auf hoher See bei Minustemperaturen eine Woche lang die Nacht um die Ohren. Radar und Horizont im Auge behalten, aufpassen, ob auch alle Schiffe in der Fahrspur bleiben. Die nämlich ist eng, der Schiffsverkehr für maritime Verhältnisse äußerst dicht. „Die Kadetrinne ist die A 1 der Ostsee“, sagt Haller. Für dicke Pötte mit großem Tiefgang gibt es wenig Platz zum Manövrieren, starke Seitenwinde können die Schiffe leicht mal aus ihrer Spur drücken. Trotzdem passiert jeden Tag mindestens ein veralteter Tanker mit nur einer Außenwand diese Strecke. Ein Crash – und die Katastrophe ist da. Auch die „Prestige“ ist, bevor sie vor Spanien sank, durch die Kadetrinne gefahren. Eine Pflicht, einen ortskundigen Lotsen mit an Bord zu nehmen, gibt es hier nicht. Noch nicht mal eine einheitliche Radarüberwachung. Die Ostsee hat schlicht Glück gehabt.

Kerstin Haller und die anderen ehrenamtlichen GreenpeacerInnen führen penibel Protokoll. Notieren alle paar Minuten die Positionen der Schiffe, checken deren Kennzeichnungen. Wenn daraus hervorgeht, dass Gefahrgut an Bord ist, scheucht Haller die Schlauchboot-Freaks aus den Kojen. Die mussten zu jeder Tages- oder Nachtzeit über die bis zu zweieinhalb Meter hohen Wellen brettern, bis an die gefährlichen Pötte heran, um deren Namen herauszufinden. Per Computer klärten die GreenpeacerInnen dann Schiffstyp und Alter. 112 Tanker, 24 davon stark veraltet, zählten sie in vier Wochen in der Passage. „Ich finde es schockierend, dass da Tanker rumfahren, die älter sind als ich“, sagt Kerstin Haller.

Ein „Geisterfahrer“, den die BeobachterInnen auf der falschen „Fahrbahn“ entdeckten, verstand noch nicht einmal die englischen Warnungen der Greenpeace-Lotsen. Erst ein Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes brachte ihn wieder auf den richtigen Kurs.

Die Bundesregierung hat inzwischen angekündigt, einwandigen Tankern in Deutschland bald das Anlegen zu untersagen. Und die Internationale Seefahrtorganisation IMO prüft eine Lotsenpflicht für die Kadetrinne. Kerstin Haller hat eigene Pläne: Schlauchboot-Training. ube
/sim