Wie? Wer? Ich?! Ich spreche nicht mit Maschinen!

Wer keine schönen Briefmarken zu Hause hat, muss den Post-Shop oder, schlimmer noch, den Wertzeichenautomaten aufsuchen

„Wenn Sie die Erstattung des Restbetrages in Briefmarken wünschen, drücken Sie Ja“

Immer wieder neu, immer wieder spannend, immer wieder eine Herausforderung: die Automatenkommunikation. Ich weiß gar nicht, ob man das so nennt: Automatenkommunikation? Ich meine jetzt nicht das, was alle kennen – ein leibeigener Automat tut nicht das, was sein Eigentümer will, und dann kommuniziert man verbal mit dem Gerät: „Bist du etwa in der Gewerkschaft, du Pfeife? Du und der Bsirske, euch beide in einen Sack und dann draufkloppen. Trifft man immer den Richtigen!“

Das waren zum Beispiel meine Worte, als mein Computer sich zum ersten bis zum zehnten Mal weigerte, meinen Befehlen zur Ausführung der erweiterten Druckfunktion „Econo-Fast“ nachzukommen. Das Menü „Econo-Fast“, also „ökonomisch-schnell“, soll Tinte sparen und eher fertig sein als ein „Normal-“ oder „Best Quality-Druck“. Angeblich. Ich weiß es ja nicht, denn zum Schnelldruck ist es noch nie gekommen. Weil mein Computer das ablehnt. Und zwar kategorisch. Seit einem Jahr.

Alle Drucker stehen still, wenn Bill Gates nicht drucken will. Der Fürst der Finsternis, Mr. Microsoft, hat mein Gerät werksseitig so ausgerüstet, dass es auf das Kommando „Schnelldruck“ Herzstillstand vortäuscht und erst wieder für mich arbeitet, wenn ich es neu beatmet, also bestromt habe. Seitdem ich das weiß, bin ich still. Man muss auch mal die Klappe halten können. Verbale Kommunikation zwischen Mensch und Maschine ist in gewissen Zusammenhängen mindestens so sinnlos wie der Versuch eines Mannes, seiner Dame klar zu machen, dass das, was sie ihre „dicke Plauze“ nennt, in Wirklichkeit ein schön anzusehender kleiner Bauch ist.

Darüber oder davon, vor allem aber damit spricht man nicht. Wer es trotzdem tut, ist jung oder dumm oder beides. Der kluge Erwachsene weiß: verschwendete Energie. Der Drucker druckt nur fett, die Frau ist es. Fertig aus. Basta.

Letztens hatte ich wieder mal Grund, mich jung, also dumm zu fühlen. Ich sprach nämlich mit einem Automaten. Das heißt, ich gab ihm zu verstehen, was er nicht verstehen kann. Dass ich ihn hasse.

Ich machte mich auf den kurzen Weg zum Post-Shop-In-Shop-Shop. Die Privatisierung des ehemaligen Staatsbetriebes Bundespost hat wie die Privatisierung des ehemaligen Staatsbetriebes Bundesbahn sehr zur Steigerung des Dienstleistungskomforts beigetragen. Besonders auf dem Kommunikationssektor. Englischsprachige Reisende zum Beispiel wissen jetzt auf den ersten Blick, dass sie sich im DB-Service-Center in die Fahrkartenverkaufsschlange stellen müssen, wenn sie den verspäteten Zug verpassen wollen. Ich kann auch Englisch. Nicht so besonders gut, aber dass „Lotto-Toto Kubarek“ jetzt „Post-Shop-In-Shop“ heißt, verstehe ich schon. Die Post-Privatisierungsgewinnler-Familie Lotto-Toto Kubarek macht nach wie vor Mittagspause, wenn ich Briefmarken brauche. Es sei ihr gegönnt. Alle Mitarbeiter machen immer einen sehr ausgeschlafenen Eindruck. Will man ihren freundlichen Service genießen, muss man eben kommen, wenn der Laden auf ist.

Statt also die nette pausierende Familie Kubarek zu beschimpfen, trat ich in den Dialog mit dem Bildschirm-Dialog-System des vor dem Post-Shop-In-Shop installierten Briefmarken-Kauf-Automaten. Ich lass jetzt mal den langen Mittelteil weg. Das bringt nix. Das ist alles dummes Zeug. Kinderkram. Man regt sich nur auf. Vor allem zum Schluss. Hat man nämlich nach einigen Epochen das Ende der Dialogmenü-Fahnenstange erreicht, teilt einem der Automat Folgendes mit: „Wenn Sie die Erstattung des Restbetrages in Briefmarken wünschen, drücken Sie Ja. Wenn Sie Nein drücken, wird der Kaufvorgang abgebrochen.“

In diesem Moment wurde ich noch einmal von einer juvenilen Dösigkeitswoge hochgehoben und trichterte dem Gerät im Econo-Fast-Tempo-Rausch zirka twenty German-Best-Quality-Dirty-Words bei, drückte – nein: schlug den Befehl „NEIN“ in den Automaten und beendete den Dialog.

„Na? Ist das ’n Scheißding?“, fragte eine freundliche Frauenstimme, um sich im Nu selbst die richtige Antwort zu geben: „Ja sicher ist das ’n Scheißding!“

Die Mittagspause der Familie Kubarek war beendet. Wir betraten den Shop-In-Shop und nahmen uns ausreichend Zeit für einen Briefmarken-Kauf-Dialog. Anschließend kamen wir dann noch auf Orthopädisches zu sprechen. An die Einzelheiten kann ich mich zwar nicht mehr erinnern, weiß aber noch sehr genau, mit welch gründlicher Weisheit ich in mein langsam verkalkendes Restleben entlassen wurde: „Kommt sowieso alles so, wie’s kommen muss. Und wenn nicht, kommt genau das Gegenteil. Aber da können Sie dann auch nix mehr dran ändern.“ Und das stimmt ja auch.

FRITZ ECKENGA