In acht Minuten um die Welt

Die taz zu Gast im Haus der Kulturen der Welt: Vom 17. bis 19. April 2009 feiert die taz ihren 30. Geburtstag mit dem Kongress „?Tu was! Freiheit & Utopie“. An dieser Stelle wird laufend über die Vorbereitungen des Kongresses, über die Themen, Zusagen und Orte berichtet. Mehr zum taz-Kongress: www.30jahre.taz.de / Ideen und Vorschläge an 30jahretaz@taz.de. Mehr zum Jubiläumsprogramm des HKW: www.hkw.de

Das Haus der Kulturen der Welt feiert dieses Jahr seinen 20. Geburtstag: Ein Ortstermin

Mit den acht Minuten vom Hauptbahnhof zum Haus der Kulturen der Welt hat Bernd M. Scherer, Intendant des Hauses, später beim Gespräch recht: Das großzügige Haus ist im Kopf weiter weg als tatsächlich. Es ist diese Peripherie, die Scherer im Blick hat, wenn er über das Haus der Kulturen der Welt spricht. Der neue Hauptbahnhof hilft ihm die gefühlte geografische Distanz des Hauses mit den Größendimensionen der Stadt zu justieren: „Es ist noch nicht optimal, aber die Stadt wächst gewissermaßen auf uns zu.“

Die damals von den Amerikanern geschenkte Kongresshalle ist heute Herz des Hauses der Kulturen der Welt (HKW), das dieses Jahr seinen 20. Geburtstag feiert. Das im Tiergarten versteckte Haus ist durch die Spreeentwicklung nicht mehr ganz so isoliert wie einst. Die helle Fassade taucht plötzlich aus dem vermeintlichen Nichts auf. Die Annäherung von hinten reflektiert die Symmetrie des Gebäudes, die eigentliche Hinterseite wird damit zu einer weiteren Vorderseite. In gewisser Weise bekommt damit der Architekt Hugh Stubbins im Nachhinein Recht. Konzipierte er doch das Haus so, dass die Terrassen und die Treppenführung die Besucher von Norden nach Süden lenken.

Die Begrüßung im niedrigen, doch geräumigen Büro fällt an diesem garstig verkühlten Wintermorgen warmherzig-süß aus. Der Chef des Hauses kostet gerade Schoko-Plättchen mit einer feinen Prägung des Hauses darauf – in verschiedenen Geschmacksrichtungen, so vielfältig, wie das Haus Kulturen präsentiert. Das Haus mit der einzigartigen Silhouette ist für den Intendanten ein Glücksfall. Nicht nur, weil er in dem Haus, das ihn bereits als kleiner Bub zum ersten Mal in Berlin beeindruckte, arbeitet. Trotz architektonisch dominierender Nachbarschaft sei es großartig in seiner Aussage.

Als ungeheure Weitsicht kommentiert Scherer die Absicht der Gründer des HKW vor exakt 20 Jahren: „Aus meiner Sicht war die Gründung, im Nachhinein, wirklich visionär. In einer Form, wie es die Gründerväter, zumindest explizit, gar nicht absehen konnten.“ Die Entwicklungen des Mauerfalls und des nach 1989 Folgenden liefen inhaltlich auf jene des HKW zu. In den ersten Jahren wurde das Haus von vielen Berlinern genauso wie Kulturschaffenden als wohl interessant, doch peripher wahrgenommen. „Mal hingehen und schauen, aber mit meiner Situation hat das nichts zu tun.“ Diese Wahrnehmung, so ist sich Scherer sicher, hat sich während der Geschichte des HKW verändert. Die Themen, für die das Haus steht, wurden immer mehr solche der eigenen Gesellschaft. „Ein Haus der Kulturen der Welt ist gleichzeitig ein Haus Deutschlands.“ Die eigene Gesellschaft könne man nicht verstehen, ohne sie im internationalen Kontext zu sehen.

Das Programm im Jubiläumsjahr ist deshalb ein Blick in jene Ecken der Weltkarte vor 20 Jahren, wo Geschichte geschrieben wurde. Und womit letztlich begann, was wir heute im Alltag spüren: wie die Globalisierung die Lebenswelten zunehmend verändert. „1989 begann eigentlich vom Rand der Welt – wo das Haus auch in den Köpfen stand – eine Entwicklung, die heute zentral für uns hier ist“, meint Scherer. Während nur wenige hundert Meter entfernt in Berlin die Mauer fiel, begannen in Afghanistan Entwicklungen, die gewissermaßen Gegenbewegungen waren. Die damals aber noch nicht als solche gesehen wurden. Für Scherer ist das ein schönes Bild für das Verständnis des Hauses: sich mit peripheren Prozessen zu beschäftigen, die immer zentraler ins Bewusstsein rücken.

Etwa, wenn Afghanistan plötzlich Teil deutscher Innenpolitik wird – sowohl wegen militärischem Einsatz als auch terroristischer Bedrohung. Oder die ökonomische Entwicklung Chinas, die einen direkten Einfluss auf die deutsche Gesellschaft hat. Die Frage nach nationaler Identität sei denn auch nach wie vor eine berechtigte, nur „man kann sie nicht mehr im klassischen Sinne beantworten, das ist der springende Punkt“.

Das Foyer ist zentraler Einstieg für die Themen, die sich Scherer und seine Mitarbeiter aussuchen. Gleichzeitig Fluch und Geschenk, ist die geräumige Fläche so schwierig wie wichtig zu bespielen. Ein Anhaltspunkt für die vielen Besucher, die sich damit ein Bild von Ausstellung und Institution machen. Etwa wenn da plötzlich ein fragiles Holzhaus steht, inklusive vierzig Jahren chinesischer Kulturgeschichte, welche die Mutter des chinesischen Künstlers Song Dong über Jahrzehnten ansammelte. Oder wenn ein leckendes Boot während des Wassermusikfestivals die Akustik des Hauses mit einem konstanten Wasserrauschen komplett definiert. Beim Gang durchs Haus fallen selbst bei Sonnenschein die offensichtlich dunklen Bereiche auf. Der Architekt arbeitete mit dem Spiel von Licht und Schatten, wobei die Dunkelheit genauso auffällt wie die hellen Bereiche. Wie erklären sich die bewusst dunklen Stellen beim Café Global oder dem Durchgang beim Theatersaal? Scherer ist sich der Bedeutung nicht sicher, „aber natürlich fallen einem so die hellen Bereiche mehr auf, wenn man aus dem Dunkeln kommt“. Mittlerweile experimentiert sein Team bewusst mit dem Haus, etwa mit Projektionen, die im Hellen nicht möglich wären.

Für den Kongress „?Tu was! Freiheit & Utopie“, mit dem die taz zum 30. Geburtstag im April im HKW gastieren wird, ist dieser Hinweis Gold wert: Nicht nur inhaltlich, auch visuell sollen Kontraste mit ins Programm. GINA BUCHER