Europäer knicken wieder ein

Im UNO-Sicherheitsrat lassen die EU-Staaten zum zweiten Mal entgegen ihrer öffentlich erklärten Überzeugung eine Immunitätsregelung für US-Bürger vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu. USA drängen auf bilaterale Abkommen

aus Genf ANDREAS ZUMACH

An UNO-Friedensmissionen beteiligte BürgerInnen der USA und anderer Staaten, die dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) bislang nicht beigetreten sind, genießen für ein weiteres Jahr, bis Ende Juni 2004, Immunität vor dem IStGH. Einen entsprechenden Resolutionsantrag der USA verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat in der Nacht zum Freitag mit zwölf Jastimmen bei drei Enthaltungen.

In einer Debatte des Sicherheitsrates unmittelbar vor dem Beschluss, bei der sich 70 Mitgliedsstaaten der UNO-Generalversammlung fast ausschließlich ablehnend zu dem US-Resolutionsentwurf äußerten, bezog auch die griechische EU-Präsidentschaft kritisch Stellung. Athens UNO-Botschafter Adamantios Vassilakis: „Die EU bekräftigt ihre Überzeugung, dass die von den USA zur Begründung für den Resolutionsantrag vorgebrachte Sorge über politisch motivierte Strafverfahren gegen ihre Staatsbürger unbegründet ist. Dagegen gibt es ausreichende Sicherungen im IStGH-Statut.“

Trotz dieser klaren Stellungnahme votierte keiner der vier EU-Staaten im Sicherheitsrat mit Nein. Großbritannien und Spanien stimmten zu, Frankreich und Deutschland enthielten sich. Die dritte Enthaltung kam von Syrien. Die über tausend Nichtregierungsorganisationen umfassende „Internationale Koalition für einen unabhängigen Strafgerichtshof“ (CICC) kritisierte, die Sicherheitsratsentscheidung verstoße gegen UNO-Charta und IStGH-Statut und schaffe eine „internationale Zweiklassenjustiz“.

Laut Jordaniens UNO-Botschafter zielt die Ausnahmeregelung darauf ab, „eine ganze Kategorie von Menschen über das Gesetz zu stellen“. Jordanien hat derzeit den Vorsitz unter den bislang 90 IStGH-Vertragsstaaten. UNO-Generalsekretär Kofi Annan äußerte die Sorge, nach weiteren Verlängerungen könne künftig die Immunität zum Gewohnheitsrecht werden und damit zur Dauerregelung. Das würde „nicht nur die Autorität des IStGH, sondern auch die Autorität des Sicherheitsrates und die Legitimität der UN-Friedensoperationen untergraben“, so Annan.

Der stellvertretende US-Botschafter James Cunningham ließ keinen Zweifel daran, dass die USA im Juni 2004 erneut eine Verlängerung der Immunitätsregelung beantragen und auch ihre Angriffe gegen den IStGH noch verschärfen werden. Er bezeichnete diesen als „völlig unzureichende, mit fatalen Fehlern behaftete Institution, die nicht das Gesetz“ darstelle. Washington nötigte bereits 38 Staaten zu bilateralen Abkommen über die Nichtauslieferung von US-BürgerInnen an den IStGH.

Das Bemühen um weitere Abkommen solle von der EU künftig „nicht mehr behindert werden“, verlangte die US-Regierung letzte Woche von Brüssel. In der in Schärfe und Ton bislang beispiellosen Demarche fordern die USA die EU auf, ihre gemeinsame Haltung zum IStGH aufzugeben und dafür bei den EU-Beitrittskandidaten sowie anderen Ländern nicht mehr zu werben. Washington will über den IStGH nur noch bilateral mit den einzelnen Regierungen sprechen.