Deutsch-französischer Kuhhandel

Verhandlungen um die Agrarreform, die die milliardenschweren Subventionen in neue Bahnen lenken soll, sind vorerst gescheitert. Auch, weil sich die Bundesregierung auf den Bremser Frankreich einlässt. Doch am Dienstag soll es weitergehen

aus Berlin HANNA GERSMANN

Strategische Pause im Geschacher um die Agrarmilliarden: Weil sie sich so gar nicht einigen konnten, haben Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) und ihre europäischen Kollegen die Beratungen über die künftige Agrarpolitik in Luxemburg am Donnerstag abgebrochen – und auf Dienstag vertagt. Klar schon jetzt: Auch dann werden sie sich nur verständigen, wenn die Reform, die EU-Agrarkommissar Franz Fischler plant, zum Reförmchen schrumpft.

Der französische Minister Hervé Gaymard hatte auf den Verhandlungsstopp gedrängt. Er müsse sich erst einmal mit dem Parlament beraten, so seine Begründung. „Inszenierung!“, schimpft der grüne EU-Agrarexperte Friedrich Wilhelm Graefe zu Bahringdorf. Und er erläutert: Paris blockierte die Reform von Anfang an, steht an der Spitze der Bremser. Die Agrarlobby sei dort noch mächtiger als in Deutschland. Die französischen Bauern, die von den insgesamt mehr als 40 Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen am meisten profitierten, wollten alles so lassen, wie es ist. „So nah wie heute waren sie diesem Ziel noch nie“, prognostiziert Bahringdorf nun.

Der Hintergrund: Fischler will zwar nicht das Subventionsvolumen selbst kürzen, zumindest aber anders verteilen. Geht es nach ihm, sollen die Bauern künftig einen Monatsbetrag bekommen. Sie liefern dafür Qualität, produzieren tier- und umweltgerechter. Vier bis sechs Prozent der Gelder sollen zudem gänzlich umgetopft werden – raus aus der Produktion, rein in die Entwicklung des ländlichen Raumes. Fischlers Hoffnung: Werden die Bauern nicht mehr nach Menge Getreide oder Zahl der Rindviecher gezahlt, orientieren sie sich stärker am Markt und Brüssel baut seine Fleisch- und Getreideberge ab.

Die Briten, Dänen, Niederländer und Schweden sind von dem Vorschlag überzeugt, wollen „Fischler pur“. Sie haben aber keine Chance. Zu stark stemmen sich die traditionellen Agrarstaaten um Frankreich dagegen. So erreichte Paris bereits vor einem Jahr, das bisherige Subventionsvolumen bis 2013 festzuschreiben. Jetzt verhindern sie die Reform so lange, bis es nicht mehr geht, dann aber wird sie zumindest stark abgeschwächt.

Dabei hilft nun die wieder auflebende deutsch-französische Freundschaft: Anfang der Woche erklärten Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der französische Präsident Jacques Chirac – er war in jungen Jahren selbst einmal Agrarminister – die Landwirtschaftspolitik plötzlich zur Chefsache. Ihr Deal: Berlin kommt Frankreich in der Agrarfrage entgegen, Paris unterstützt Deutschlands Position, wenn es darum geht, nationale Firmen vor Übernahmen aus dem Ausland zu schützen. Im französischen Fernsehen bekräftigte Schröder gestern noch einmal: „Wir sind in einer Linie.“

Die Details? Noch unklar. Doch ohne die Stimmen der beiden Länder erhält Fischler nicht die für die Agrarreform notwendige Zweidrittelmehrheit. Die Drohkulisse ist perfekt. Am Dienstag legt er einen neuen Entwurf auf den Tisch.