Erst sparen, dann schenken

Die Regierung will die Steuerreform jetzt doch vorziehen – aber nur, wenn das Geld durch die Kürzung von Subventionen wieder hereinkommt. Damit will Eichel die Union unter Druck setzen und zugleich seine neuerliche Kehrtwende kaschieren

aus Berlin HANNES KOCH

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat sich grundsätzlich bereit erklärt, die für 2005 geplante Steuersenkung auf kommenden Januar vorzuziehen. Diese Variante knüpft er aber an die Bedingung, dass ein Teil der Einnahmeausfälle durch die Kürzung von Subventionen ausgeglichen werden müsse.

Während einer eilig anberaumten Pressekonferenz versuchte Eichel gestern die Opposition unter Druck zu setzen, die den Reformen im Bundesrat zustimmen muss. „Je weiter wir mit der Union beim Subventionsabbau kommen, desto größer ist die Möglichkeit, die Steuerreform vorzuziehen“, sagte der Finanzminister.

Nach Eichels Abkehr von seiner Null-Schulden-Politik stellt diese Erklärung eine weitere Kehrtwende der rot-grünen Finanzpolitik dar. Bisher galt die Staffelung der Steuerreformstufen für 2004 und 2005 als ehernes Gesetz. Für anderes sei „kein Geld da“, hatte Eichel immer wieder betont. Die Steuerentlastung von 2005 würde Bürgern und Wirtschaft 19 Milliarden Euro mehr Bares bringen – und dem Staat entsprechende Ausfälle.

Der Finanzminister zeigt jetzt mehr Flexibilität, weil Wirtschaftsforscher angesichts der schlappen Konjunktur eine Geldspritze des Staates für nötig halten. Diesen Überlegungen haben sich auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und SPD-Fraktionsvize Joachim Poß teilweise angeschlossen. Auch Unionspolitiker haben die Zusammenlegung der beiden noch ausstehenden Steuersenkungen 2004 und 2005 zum Anfang kommenden Jahres gefordert.

Was die Bedingungen angeht, wurde Eichel allerdings nur mäßig konkret. Als Posten, bei dem gespart werden könne, nannte der Minister die Eigenheimzulage. Ein weiterer Punkt ist die Mindestbesteuerung für Unternehmen. Rot-Grün wollte für die Zukunft verhindern, dass Firmen ihre Gewinne künstlich auf null rechnen können, war aber auch damit an der Union im Bundesrat gescheitert. „Außerdem“, so Eichel, „ wird es eine kräftige Kürzung der Agrarsubventionen geben.“

Die genannten Einsparungen würden sich im nächsten Jahr auf etwa eine Milliarde Euro belaufen – viel zu wenig, um als ernsthafte Gegenfinanzierung der Steuersenkung zu taugen. Sowohl Rot-Grün als auch die Union müssen noch einiges draufpacken, um die von Eichel gesetzte Bedingung für eine große Steuerreform zu erfüllen.

Einerseits gab sich der Finanzminister zwar konziliant in Richtung Opposition. „Nicht alle Einsparungen müssen sofort wirken“, sagte Eichel. Wenn heutige Beschlüsse in ein paar Jahren Einsparerfolge brächten, sei er bereit, die Schulden vorübergehend maßvoll zu erhöhen. Doch gleichzeitig trat Eichel auf die Bremse. Der Haushaltsentwurf für 2004 solle in jedem Fall „verfassungsgemäß“ sein. Die Neuverschuldung dürfe nicht höher ausfallen als die Investitionen. Weil mit einer Neuverschuldung von etwa 26 Milliarden Euro aber höchstens das bereits jetzt offenkundige Defizit für 2004 abgedeckt werden kann, fordert Eichel durch die Blume, dass jede zusätzliche Steuersenkung komplett durch zusätzliche Einsparungen bei Subventionen kompensiert wird – ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Botschaft kam sowohl beim den Grünen als auch bei der Union an. „Eichel sagt selbst, dass die Voraussetzungen für weitere Steuersenkungen nicht gegeben sind“, kommentierte Grünen-Fraktionschefin Krista Sager. Und CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz wollte sich nicht den schwarzen Peter zuschieben lassen, beim Subventionsabbau zu mauern. Die Steuersenkung sei nicht zu machen, sagte Merz: „Unter Rot-Grün nimmt das steuer- und finanzpolitische Chaos weiter seinen Lauf.“

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